Römische Religion: Haus-Kobolde, Götter, Sekten und Christentum

Die römische Religion, kennt man ja: Jupiter, Iuno und die ganzen Götter, so wie beim Trojanischen Krieg… nein! Die römische Religion ist mehr als die griechischen Götter. Rom hatte eine ganze Reihe von ziemlich eigenen Kulten und Göttern, die mit nichts in der griechischen Welt vergleichbar sind.

Das römische Original: Naturgeister

In der Frühzeit der Stadt Rom (so um 700 v. Chr.) gab es eine Reihe von „Naturphänomen“-Göttern. Darunter kann man sich solche Götter wie „das Feuer“, „der Fluss“ oder „das Fieber“ vorstellen, also im Prinzip Naturphänomene, in denen man göttliche Kräfte erkannte. Dazu gehörten auch die Laren und Penaten – so eine Art Geister oder Kobolde, die auf eine Familie oder ein Haus aufpassen sollten. Soweit wir wissen, hat man sich diese Geister nicht als Personen oder menschenähnliche Götter vorgestellt, sondern eher wie unsichtbare Kräfte. Die Römer dieser Frühzeit hätten sich unter einem „Gott“ sicherlich nicht jemanden vorgestellt, der in Gestalt eines Mannes auf einer Wolke sitzt und Blitze schleudert.

Der Einfluss der Etrusker: Götter-Personen

In einer fernen Vorzeit, irgendwann vor 500 v. Chr., eroberten etruskische (norditalienische) Könige Rom. Diese Etrusker waren ein „fremdes“ Volk und brachten ihre eigenen religiösen Vorstellungen mit, vor allem die Idee, dass es personifizierte Gottheiten gibt (also Götter, die wie magisch begabte Menschen aussehen und handeln). Dazu gehören

  • Ianus, ein Gott mit zwei Gesichtern, dessen Tempeltüren im Krieg geöffnet und im Frieden geschlossen wurden,
  • Vulcanus, ein Feuergott, der später mit dem griechischen Hephaistos gleichgesetzt wurde,
  • Vesta, eine Göttin des Herdfeuers, und
  • Saturn, ein Bauern- und Ernte-Gott.

Mit diesen Göttern kamen die ersten Vorstellungen von personifizierten Göttern nach Rom. Das färbte auch auf die alten „Geister“, die Laren und Penaten ab, die nun oft als kleine, geschnitzte Männchen im Haus aufgestellt wurden.

Griechische Importe

Das römische Imperium wuchs seit ca. 250 v. Chr. sehr schnell und kam dadurch ständig mit neuen Kulturen und deren Religionen in Kontakt. Vor allem aus der griechischen Welt übernahmen die Römer eine ganze Menge personifizierter Götter, die wir heute am besten kennen, darunter

  • Iupiter (griechisch: Zeus), verantwortlich für Blitz und Donner und Chef im Götterzirkus,
  • Iuno (griechisch: Hera), Iupiters Frau und Beauftragte für Frauen und ihre Ehe,
  • Minerva (griechisch Athene), die drittwichtigste Göttin und zuständig für Handwerk und Technik,
  • Mars (griechisch Ares), ein Naturkräfte- und Kriegsgott,
  • Venus (griechisch Aphrodite), zuständig für Schönheit, Liebe und Erotik,
  • und noch unzählige mehr.

Wie verehrt man eigentlich einen Gott?

Das römische Verständnis von Religion beruhte auf dem Prinzip „Do, ut des„, d.h. „Ich geb dir was, dafür gibst du mir was“. Man opferte einem Gott etwas (ein Tier, ein Getränk, usw.), und dafür sollte der Gott dem Opfernden einen Gefallen tun.

Dieses Verhältnis bestand aber nicht nur für private „Gefallen“, sondern wurde auf jeden Bereich des Lebens übertragen. Daher gab es ganze Priesterkollegien, die dafür zuständig waren, die Götter zu einer guten Ernte zu überreden, zum Erfolg im Krieg, zum Schutz der Stadt, und noch etliches mehr. Viele dieser Priester und Priesterinnen lebten unter irre komplizierten Regeln und mussten jede Menge sonderbare Rituale durchführen, damit die Götter die Stadt behüteten.

Daneben gab es eine ganze Reihe an professionellen Wahrsagern und Hellsehern, die für die Politik wichtig waren: Wenn die Auguren (eines der wichtigsten Priesterkollegien) nicht feststellen konnten, dass heute bei den Göttern alles in Ordnung war, konnte vielleicht ein militärischer Feldzug nicht stattfinden, der Senat nicht tagen, die Wahl der Beamten nicht stattfinden und vieles mehr. So gut wie alles im öffentlichen römischen Leben hing von irgendwelchen göttlichen Fragen ab.

Orientalische Importe

Mit den Eroberungen des römischen Imperiums in den Orient, in Ägypten und bis an den Rand des mächtigen Perserreiches (dem heutigen Iran), kam Rom auch mit Religionen in Kontakt, die sich stark von den eigenen Vorstellungen unterschieden. Mit der Eroberung Ägyptens im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde in Rom der Kult der Isis und des Osiris sehr beliebt. Der galt in der besseren römischen Gesellschaft als etwas anstößig, da diese Gottheiten sich mit der römischen Moral nicht besonders gut vertrugen (der Isis-Kult fand z.B. sexuelle Freizügigkeit in Ordnung, was nicht besonders gut in den strengen Sittenkodex der römischen Moralvorstellungen passte).

Auch der Mithras-Kult, eine mystische Sekte aus dem Perserreich, schlug in Rom seit ca. 50 n. Chr. ein „wie eine Bombe“. Mithras ist (so ähnlich wie Jesus) ein Gottessohn und muss einen bösen Super-Stier töten, um die Welt von allem Übel zu befreien, fährt dann in den Himmel auf und – naja, so ähnlich wie Jesus eben. Wie auch das Christentum kennt der Mithras-Kult nur einen (richtigen) Gott; es handelt sich also um einen Monotheismus. Da ist es nicht so überraschend, dass der Mithraskult die wichtigste Konkurrenz des frühen Christentums war – wäre es ein bisschen anders gelaufen, würden wir an Weihnachten vielleicht nicht Jesus‘ Geburt, sondern die Tötung des Ur-Stiers feiern.

Stattdessen setzte sich in den folgenden Jahrhunderten das Christentum im römischen Imperium durch. Diese jüdische Sekte hatte als eine Art anti-römische Widerstandsbewegung angefangen. Rom hatte Palästina ungefähr 50 v. Chr. erobert und seitdem warteten viele Juden auf einen Freiheitskämpfer, einen „Messias“, der die römischen Besatzer mit göttlicher Hilfe beseitigen sollte, und den einige Leute in einem gewissen Jesus aus Nazareth zu erkennen glaubten. Dass ausgerechnet dieser anti-römische Widerstandskult ein paar hundert Jahre später zur römischen Staatsreligion aufstieg, ist ein ziemlich irrer Witz der Geschichte und war nur möglich, weil Jesus sich eigentlich vor allem für Ethik und Philosophie interessierte (und nicht für den Widerstand gegen die Römer). Sein Konzept der Nächstenliebe und der göttlichen Vergebung war, aus der Sicht einer ziemlich gewalttätigen und unterdrückerischen römischen Welt, ziemlich revolutionär.

Christentum: Das Ende der Vielfalt

Das Christentum verbreitete sich im römischen Reich als ein Kult, der sich vor allem an die Schwachen und Unterdrückten richtete, an Sklaven, Frauen und einfache Leute. Es versprach jedem einen Weg zum ewigen Leben, der zu Jesus bzw. Gott fand, und das unterschied ihn von der alten römischen Religion, die kein „schönes“ Jenseits, sondern nur den finsteren Orcus (die Unterwelt) kannte, und vom Mithras-Kult, in dem nur privilegierte Eingeweihte aufsteigen konnten. Und weil es im römischen Imperium jede Menge Schwache und Unterdrückte gab, konnte sich das Christentum auf eine sehr große Basis an Menschen stützen, für die es attraktiv war.

Über mehrere Jahrhunderte verfolgte der römische Staat die Christen mit unterschiedlicher Härte. Die sogenannten Christenverfolgungen erreichten aber unter manchen Kaisern blutige Höhepunkte und drängten das Christentum in den Untergrund, ohne dass das der Verbreitung erheblich geschadet hätte.

Als das Christentum schließlich zur offiziellen römischen Staatsreligion aufstieg, wandte sich die Gewalt gegen die vormaligen Unterdrücker. Alle anderen Kulte wurden von christlichen Fanatikern blutig bekämpft, Heiligtümer und Tempel zerstört. Als eine ausgesprochen intolerante Religion überdauerte das Christentum das Ende des römischen Reichs und blieb bis ins 16. Jahrhundert ein bedeutendes Erbe der Antike.

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