In Catilinam 1

 

Die vier Reden gegen Catilina gehören heute zum Standard-Repertoire jedes höheren Lateinunterrichts. Kaum ein Latinum wird bestanden, in dem man nicht in Kontakt mit der ersten Rede gekommen ist. Das hat verschiedene Gründe. Die Reden gegen Catilina gehören zu den rhetorischen Meisterstücken Ciceros; ihr konsequent durchdachter Aufbau, ihre kluge Argumentation und ihre spannende Hintergrundgeschichte um Catilinas Verschwörung machen diese Reden zu einem der meistgelesenen Stücke der lateinischen Literatur.

Catilina war ein Adeliger aus einer relativ hoch angesehenen römischen Familie. Im Rahmen einer Verschwörung, mit der er einen politischen Umsturz plante, wurde die folgende Rede vor dem Senat gehalten. Sein Pech war, dass zum Zeitpunkt der Verschwörung ein gewisser Cicero Konsul war, der seine Augen und Ohren überall hatte und früh mitbekam, was Catilina plante. So verhinderte Cicero die Verschwörung und ließ Catilina und seine Leute festnehmen und später hinrichten. Um möglichst berühmt zu werden und sicherzustellen, dass alle wüssten, dass er – Cicero – diese Verschwörung aufgedeckt hatte, veröffentlichte er die Reden wenig später in einer überarbeiteten Fassung.

Eine andere Beschreibung der Ereignisse um die Verschwörung des Catilina lieferte der römische Historiker Sallust einige Jahrzehnte später.

Zu Ciceros Reden gegen Catilina gibt es ein Spezialvokabular für alle Bücher (PDF) und ein Spezialvokabular für Buch 1 (PDF).

I. Teil

[1] I. Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra? quam diu etiam furor iste tuus nos eludet? quem ad finem sese effrenata iactabit audacia? Nihilne te nocturnum praesidium Palati, nihil urbis vigiliae, nihil timor populi, nihil concursus bonorum omnium, nihil hic munitissimus habendi senatus locus, nihil horum ora voltusque moverunt? Patere tua consilia non sentis, constrictam iam horum omnium scientia teneri coniurationem tuam non vides? Quid proxima, quid superiore nocte egeris, ubi fueris, quos convocaveris, quid consilii ceperis, quem nostrum ignorare arbitraris? [2] O tempora, o mores! Senatus haec intellegit. Consul videt; hic tamen vivit. Vivit? immo vero etiam in senatum venit, fit publici consilii particeps, notat et designat oculis ad caedem unum quemque nostrum. Nos autem fortes viri satis facere rei publicae videmur, si istius furorem ac tela vitemus. Ad mortem te, Catilina, duci iussu consulis iam pridem oportebat, in te conferri pestem, quam tu in nos [omnes iam diu] machinaris. Wie lange, Catilina, wirst du unsere Geduld noch missbrauchen? Wie lange wird dein Wüten uns noch verspotten? Bis zu welchem Ende wird sich diese entzügelte Kühnheit noch vorwagen? Beeindrucken dich die nächtlichen Wachen auf dem Palatin, die Wachen in der Stadt, die Furcht des Volkes, die Versammlung aller guten Männer, dieser schwer befestigte Ort der Senatsversammlung, ihre Mienen und Blicke überhaupt nicht? Spürst du nicht, dass deine Pläne offenliegen, siehst du nicht, dass deine Verschwörung schon durch die Weisheit all jener Leute hier bemerkt und aufgehalten wurde? Was du in der letzten, was du in der Nacht davon getrieben hast, wo du gewesen bist, wen du du zusammengerufen hast, was für einen Plan du gefasst hast, was glaubst du, wer von uns das nicht wüsste? Oh Zeiten, oh Sitten! Der Senat begrieft es. Der Konsul sieht es; dennoch lebt er. Er lebt? Er kommt vielmehr sogar in den Senat, wird Teilhaber des öffentlichen Rates, notiert und bestimmt mit den Augen einen jeden von uns zum Tod. Wir aber, tapfere Männer, meinen, genug für den Staat zu tun, wenn wir den Zorn und die Waffen dieses Kerls meiden. Zum Tode hättest du, Catilina, auf Befehl des Konsuls schon längst verurteilt werden müssen, auf dich die Geißel wenden müssen, die du gegen uns [alle schon lange] ersonnen hast.
[3] An vero vir amplissumus, P. Scipio, pontifex maximus, Ti. Gracchum mediocriter labefactantem statum rei publicae privatus interfecit; Catilinam orbem terrae caede atque incendiis vastare cupientem nos consules perferemus? Nam illa nimis antiqua praetereo, quod C. Servilius Ahala Sp. Maelium novis rebus studentem manu sua occidit. Fuit, fuit ista quondam in hac re publica virtus, ut viri fortes acrioribus suppliciis civem perniciosum quam acerbissimum hostem coercerent. Habemus senatus consultum in te, Catilina, vehemens et grave, non deest rei publicae consilium neque auctoritas huius ordinis; nos, nos, dico aperte, consules desumus.
Hat nicht auch der hochberühmte Mann Publius Scipio, ein Pontifex Maximus, den Tiberius Gracchus ohne Amtsgewalt ermordet, der den Zustand unseres Gemeinwesens doch nur ein wenig ins Wanken brachte; und wir, die Konsuln, sollen einen Catilina, der den Kreis der Erde mit Mord und Brand überziehen will, ertragen? Ich übergehe diese alte Geschickte, dass Gaius Servilius Ahala den Spurius Maelius, weil er nach Umsturz strebte, mit eigener Hand ermordete. Es gab, es gab einmal in diesem Staat eine sogenannte „Tugend“, damit die tapferen Männer mit ziemlich harten Strafen einen verbrecherischen Bürger wie den härtesten Feind in die Schranken weisen konnten. Wir haben ein Senatus Consultum Ultimum gegen dich, Catilina, das ist wirksam und schwerwiegend, es fehlt nicht an einem Beschluss für den Staat oder an der Autorität dieses Standes; an uns, ich sage es offen, an uns Konsuln fehlt es.

II. Teil

[4] II. Decrevit quondam senatus, ut L. Opimius consul videret, ne quid res publica detrimenti caperet; nox nulla intercessit; interfectus est propter quasdam seditionum suspiciones C. Gracchus, clarissimo patre, avo, maioribus, occisus est cum liberis M. Fulvius consularis. Simili senatus consulto C. Mario et L. Valerio consulibus est permissa res publica; num unum diem postea L. Saturninum tribunum pl. et C. Servilium praetorem mors ac rei publicae poena remorata est? At [vero] nos vicesimum iam diem patimur hebescere aciem horum auctoritatis. Habemus enim huiusce modi senatus consultum, verum inclusum in tabulis tamquam in vagina reconditum, quo ex senatus consulto confestim te interfectum esse, Catilina, convenit. Vivis, et vivis non ad deponendam, sed ad confirmandam audaciam. Cupio, patres conscripti, me esse clementem, cupio in tantis rei publicae periculis me non dissolutum videri, sed iam me ipse inertiae nequitiaeque condemno. Einst beschloss der Senat, dass der Konsul Lucius Opimius zusehen möge, dass der Staat keinen Schaden nehme; keine Nacht war vergangen, da wurde der Gaius Gracchus wegen bestimmter Verdachtsmomente auf einen Aufstand getötet, der Sohn eines hochberühmten Vaters, Großvaters und anderer Vorfahren, und der Konsular Marcus Fulvius wurde mit seinen Kindern getötet. Nach einem ähnlichen Beschluss des Senats wurde dem Gaius Marius und Lucius Valerius, den Konsuln, der Staat ausgehändigt; haben der Tod und die Strafe der Republik den Lucius Saturninus, den Volkstribun, oder den Praetor Gaius Servilius auch nur einen Tag lang verschont? Aber wir dulden nun schon den zwanzigsten Tag, an dem die Schärfe ihrer Autorität abstumpft. Denn wir haben einen Senatsbeschluss von dieser Art, aber der ist nur auf eine Schrifttafel gebannt wie ein Schwert in der Scheide, und nach diesem Senatsbeschluss kam man überein, du solltest sofort getötet werden, Catilina. Aber du lebst, und du lebst nicht, um deine Kühnheit abzulegen, sondern um sie noch zu beweisen. Ich will, Senatoren, ich will milde sein, ich will bei einer solchen Gefahr für den Staat aber auch nicht nachlässig erscheinen, sondern verfluche mich schon jetzt selbst wegen meiner Trägheit und meiner Unwürdigkeit.
[5] Castra sunt in Italia contra populum Romanum in Etruriae faucibus conlocata, crescit in dies singulos hostium numerus; eorum autem castrorum imperatorem ducemque hostium intra moenia atque adeo in senatu videtis intestinam aliquam cotidie perniciem rei publicae molientem. Si te iam, Catilina, comprehendi, si interfici iussero, credo, erit verendum mihi, ne non potius hoc omnes boni serius a me quam quisquam crudelius factum esse dicat. Verum ego hoc, quod iam pridem factum esse oportuit, certa de causa nondum adducor ut faciam. Tum denique interficiere, cum iam nemo tam inprobus, tam perditus, tam tui similis inveniri poterit, qui id non iure factum esse fateatur. [6] Quamdiu quisquam erit, qui te defendere audeat, vives, et vives ita, ut [nunc] vivis. multis meis et firmis praesidiis obsessus, ne commovere te contra rem publicam possis. Multorum te etiam oculi et aures non sentientem, sicut adhuc fecerunt, speculabuntur atque custodient. In Italien wurden auf den Pässen Etruriens Militärlager gegen das römische Volk aufgestellt, jeden einzelnen Tag wächst die Zahl der Feinde; aber den Befehlshaber, den Anführer dieser Militärlager seht ihr innerhalb der Stadtmauer und sogar im Senat, täglich einen von innen kommenden Untergang des Staates betreibt. Wenn ich dich, Catilina, nun festnehme und befehlen würde, dass du getötet wirst, dann muss ich, glaube ich, fürchten, dass nicht eher alle Guten sagen, ich hätte recht spät gehandelt, als dass irgendwer sagt, ich hätte recht grausam gehandelt. Aber ich werde von einem sicheren Beweggrund dazu gebracht, das noch nicht zu tun, was man längst hätte tun müssen. Dann erst wirst du getötet werden, wenn sich niemand mehr findet, der so verrufen, so verdorben, so sehr dir ähnlich ist, dass er sagen könnte, dies sei nicht zurecht geschehen. So lange irgendjemand da ist, der es wagt, dich zu verteidigen, wirst du leben, so wie du jetzt lebst. Weil du durch meine vielen sicheren Schutzmaßnahmen kontrolliert wirst, kannst du nichts gegen den Staat unternehmen. Augen und Ohren vieler Leute beobachten und bewachen dich, ohne dass du es merkst, so wie sie es auch bisher taten.

III. Teil

III. Etenim quid est, Catilina, quod iam amplius expectes, si neque nox tenebris obscurare coetus nefarios nec privata domus parietibus continere voces coniurationis tuae potest, si illustrantur, si erumpunt omnia? Muta iam istam mentem, mihi crede, obliviscere caedis atque incendiorum. Teneris undique; luce sunt clariora nobis tua consilia omnia; quae iam mecum licet recognoscas. Und was soll das, Catilina, dass du so hochaufgerichtet abwartest, wenn doch weder die dunkle Nacht diese frevlerischen Vereinigungen verbergen noch ein Privathaus in seinen Wänden die Stimmen deiner Verschwörung zusammenhalten kann, wenn sie auffliegen, wenn alles zusammenbricht? Ändere deine schlimme Vorhaben, glaub mir, vergiss Mord und Brandanschläge. Du wirst überall gefasst, deine Pläne liegen für uns alle ziemlich klar im Lichte; es sei dir erlaubt, sie nun mit mir nochmal durchzugehen.
[7] Meministine me ante diem XII Kalendas Novembris dicere in senatu fore in armis certo die, qui dies futurus esset ante diem VI Kal. Novembris, C. Manlium, audaciae satellitem atque administrum tuae? Num me fefellit, Catilina, non modo res tanta, tam atrox tamque incredibilis, verum, id quod multo magis est admirandum, dies? Dixi ego idem in senatu caedem te optumatium contulisse in ante diem V Kalendas Novembris, tum cum multi principes civitatis Roma non tam sui conservandi quam tuorum consiliorum reprimendorum causa profugerunt. Num infitiari potes te illo ipso die meis praesidiis, mea diligentia circumclusum commovere te contra rem publicam non potuisse, cum tu discessu ceterorum nostra tamen, qui remansissemus, caede te contentum esse dicebas? [8] Quid? cum te Praeneste Kalendis ipsis Novembribus occupaturum nocturno impetu esse confideres, sensistin illam coloniam meo iussu meis praesidiis, custodiis, vigiliis esse munitam? Nihil agis, nihil moliris, nihil cogitas, quod non ego non modo audiam, sed etiam videam planeque sentiam. Erinnerst du dich nicht, dass ich vor den 12. Kalenden des Novembers (21. Oktober) im Senat sagte, dass Gaius Manlius an einem gewissen Tag, der vor den 6. Kalenden des Novembers (27. Oktober) kommen würde, mit Waffen gerüstet sein würde, ein Spießgeselle und Unterstützer deiner Kühnheit? Habe ich mich etwa getäuscht, Catilina, nicht nur über die Sache an sich, so schwarz und so unglaublich sie auch ist, sondern auch, was du noch viel mehr bestaunen musst, über den Tag? Ich sagte ebenso im Senat, dass du einen Mord an den Adligen vor den 5. Kalenden des Novembers (28. Oktober) planst, da, als viele Führer des Staates nicht so sehr um sich selbst zu retten, als um deine Pläne zu vereiteln, aus Rom geflohen sind. Kannst du etwa leugnen, dass du an ebendiesem Tag, durch meine Schutzmaßnahmen und durch meine Sorgfalt bedrängt, nicht in der Lage warst, dich gegen den Staat zu wenden, als du nach dem Verschwinden der anderen sagtest, du wärst trotzdem mit unserem Tod, die wir zurückgeblieben waren, zufrieden? Was? Als du dir sicher warst, dass du Praeneste an den Kalenden des Novembers (1. November) in nächtlichem Ansturm besetzen könntest, hast du da bemerkt, dass diese Kolonie auf meinen Befehl mit meinen Schutztruppen, Soldaten und Wachen besetzt war? Du tust nichts, du unternimmst nichts, du planst nichts, was ich nicht nur hören, sondern auch sehen und ganz klar erkennen kann.

IV. Teil

IV. Recognosce tandem mecum noctem illam superiorem; iam intelleges multo me vigilare acrius ad salutem quam te ad perniciem rei publicae. Dico te priore nocte venisse inter falcarios–non agam obscure–in M. Laecae domum; convenisse eodem complures eiusdem amentiae scelerisque socios. Num negare audes? quid taces? Convincam, si negas. Video enim esse hic in senatu quosdam, qui tecum una fuerunt. Geh mit mir schließlich noch einmal diese vorletzte Nacht durch; du merkst schon, dass ich mich um vieles energischer um das Wohl des Staates bemühe als du um seinen Untergang. Ich sage, dass du in der vorigen Nacht zu den Sensenschmieden gegangen bist – ich will nicht heimlich tun: in das Haus von Marcus Laeca; dort sind einige Genossen dieser Spinnerei, dieses Verbrechens zusammengekommen. Wagst du es etwa, es zu leugnen? Was schweigst du? Ich kann dich überführen, wenn du es leugnest. Ich sehe nämlich – hier im Senat! – einige, die dort gemeinsam mit dir waren.
[9] O di inmortales! ubinam gentium sumus? in qua urbe vivimus? quam rem publicam habemus? Hic, hic sunt in nostro numero, patres conscripti, in hoc orbis terrae sanctissimo gravissimoque consilio, qui de nostro omnium interitu, qui de huius urbis atque adeo de orbis terrarum exitio cogitent! Hos ego video consul et de re publica sententiam rogo et, quos ferro trucidari oportebat, eos nondum voce volnero! Oh ihr unsterblichen Götter! Woher nämlich stammen wir ab? In was für einer Stadt leben wir? Was für einen Staat haben wir? Hier, hier gehören sie zur Zahl der unseren, Senatoren, in diesem heiligsten und bedeutendsten Ratsgremium des Erdenkreises, die an unser aller Untergang, die an der Vernichtung dieser Stadt und sogar des ganzen Erdenkreises schmieden! Ich, der Konsul, sehe sie und frage lasse den Staat abstimmen und jene, die man mit dem Schwert hätte köpfen müssen, verwunde ich noch nicht einmal mit Worten!
Fuisti igitur apud Laecam illa nocte, Catilina, distribuisti partes Italiae, statuisti, quo quemque proficisci placeret, delegisti, quos Romae relinqueres, quos tecum educeres, discripsisti urbis partes ad incendia, confirmasti te ipsum iam esse exiturum, dixisti paulum tibi esse etiam nunc morae, quod ego viverem. Reperti sunt duo equites Romani, qui te ista cura liberarent et sese illa ipsa nocte paulo ante lucem me in meo lectulo interfecturos [esse] pollicerentur. [10] Haec ego omnia vixdum etiam coetu vestro dimisso comperi; domum meam maioribus praesidiis munivi atque firmavi, exclusi eos, quos tu ad me salutatum mane miseras, cum illi ipsi venissent, quos ego iam multis ac summis viris ad me id temporis venturos esse praedixeram. Du warst also in dieser Nacht bei Laeca, Catilina, hast die Gebiete Italiens aufgeteilt, hast festgelegt, wohin ein jeder aufbrechen möge, ausgewählt, wen du in Rom zurücklässt, wen du mit dir fortführst, die Stadtteile für Brandstiftungen aufgezeichnet, bestätigt, dass du selbst schon auf dem Weg hinaus bist, gesagt, dass du noch ein wenig aufgehalten wirst, weil ich noch lebe. Es haben sich zwei römische Ritter gefunden, die dich von dieser Sorge befreien wollten und versprachen, mich in ebendieser Nacht kurz vor dem Morgen in meinem Bett zu töten. All dies habe ich gerade erst erfahren, als ich eure Versammlung entlassen hatte; mein Haus besetzte ich mit mehr Wachen und sicherte es so ab, schloss die Leute aus, die du geschickt hattest, um mir morgens eine Aufwartung zu machen, und es kamen auch genau jene, von denen ich vielen wichtigen Männern vorausgesagt hatte, dass sie zu dieser Zeit zu mir kommen würden.

V. Teil

V. Quae cum ita sint, Catilina, perge, quo coepisti, egredere aliquando ex urbe; patent portae; proficiscere. Nimium diu te imperatorem tua illa Manliana castra desiderant. Educ tecum etiam omnes tuos, si minus, quam plurimos; purga urbem. Magno me metu liberabis, dum modo inter me atque te murus intersit. Nobiscum versari iam diutius non potes; non feram, non patiar, non sinam. [11] Magna dis inmortalibus habenda est atque huic ipsi Iovi Statori, antiquissimo custodi huius urbis, gratia, quod hanc tam taetram, tam horribilem tamque infestam rei publicae pestem totiens iam effugimus. Wenn die Dinge so stehen, Catilina, fahr fort, womit du begonnen hast, verlass einmal die Stadt; die Tore stehen offen; brich auf. Zu lange wartet dein Lager des Manlius auf dich, den Feldherrn. Führe all deine Leute mit dir hinaus, und wenn nicht, dann wenigstens die meisten; reinige die Stadt. Du wirst mich von einer großen Furcht befreien, wenn dann nur eine Mauer zwischen mir und dir steht. Mit uns kannst du nicht länger Umgang pflegen; ich ertrage es nicht, ich dulde es nicht, ich lass es nicht zu. Den unsterblichen Göttern und dem Iuppiter Stator selbst, dem ältesten Wächter der Stadt, müssen wir sehr dankbar sein, dass wir schon oft einer so widerlichen, so furchtbaren und so staatsfeindlichen Hinterlist entronnen sind.
Non est saepius in uno homine summa salus periclitanda rei publicae. Quamdiu mihi consuli designato, Catilina, insidiatus es, non publico me praesidio, sed privata diligentia defendi. Cum proximis comitiis consularibus me consulem in campo et competitores tuos interficere voluisti, compressi conatus tuos nefarios amicorum praesidio et copiis nullo tumultu publice concitato; denique, quotienscumque me petisti, per me tibi obstiti, quamquam videbam perniciem meam cum magna calamitate rei publicae esse coniunctam. Aber das Überleben des Staates darf nicht noch öfter durch einen einzigen Menschen aufs Spiel gesetzt werden. So lange du mir, dem designierten Konsul, aufgelauert hast, Catilina, verteidigte ich mich nicht durch staatliche Schutzmaßnahmen, sondern durch private Vorsorge. Als du mich, den Konsul, und deine Konkurrenten bei den letzten Konsularkomitien auf dem Feld töten wolltest, habe ich deine frevlerischen Anschläge mit dem Schutz und den Truppen meiner Freunde vereitelt, ohne irgendeinen öffentlichen Tumult zu erregen; schließlich habe ich, so oft du auf mich gezielt hast, dir mich selbst in den Weg gestellt, obwohl ich sah, dass mein Untergang mit einem großen Schaden für den Staat verbunden wäre.
[12] Nunc iam aperte rem publicam universam petis, templa deorum inmortalium, tecta urbis, vitam omnium civium, Italiam [denique] totam ad exitium et vastitatem vocas. Quare, quoniam id, quod est primum, et quod huius imperii disciplinaeque maiorum proprium est, facere nondum audeo, faciam id, quod est ad severitatem lenius et ad communem salutem utilius. Nam si te interfici iussero, residebit in re publica reliqua coniuratorum manus; sin tu, quod te iam dudum hortor, exieris, exhaurietur ex urbe tuorum comitum magna et perniciosa sentina rei publicae. [13] Quid est, Catilina? num dubitas id me imperante facere, quod iam tua sponte faciebas? Exire ex urbe iubet consul hostem. Interrogas me, num in exilium; non iubeo, sed, si me consulis, suadeo. Nun attackierst du schon ganz offen den gesamten Staat, die Tempel der unsterblichen Götter, die Häuser der Stadt, das Leben aller Bürger, und rufst ganz Italien zum Untergang und zur Verwüstung. Aus dem Grunde, dass ich das, was das naheliegenste ist, und was diesem Imperium und dem Brauch der Vorväter am nächsten liegt, nicht zu tun wage, werde ich das tun, was der Strenge gegenüber milder ist und dem Gemeinwohl nützlicher. Denn wenn ich befehle, dass du getötet wirst, bleibt eine Schar von Verschwörern übrig; wenn du aber, wozu ich dich gerade schon aufforderte, verschwindest, dann wird der große und verderbenbringende Bodensatz des Staates, deine Kumpanen, aus der Stadt gespuckt. Was soll’s, Catilina? Zögerst du etwa, das auf meinen Befehl zu tun, was du aus eigenem Antrieb schon getan hast? Der Konsul befiehlt, dass ein Feind die Stadt verlässt. Du fragst mich, ob du ins Exil gehen musst; das befehle ich nicht, aber, wenn du mich um Rat fragst: ich rate es dir.

VI. Teil

VI. Quid est enim, Catilina, quod te iam in hac urbe delectare possit? in qua nemo est extra istam coniurationem perditorum hominum, qui te non metuat, nemo, qui non oderit. Denn was gibt es schon, Catilina, was dich in dieser Stadt erfreuen könnte? In dieser Stadt gibt es niemanden, der nicht an deiner Verschwörung der Verbrecher teilnimmt, der dich nicht fürchtet, niemanden, der dich nicht hasst.
Quae nota domesticae turpitudinis non inusta vitae tuae est? quod privatarum rerum dedecus non haeret in fama? quae lubido ab oculis, quod facinus a manibus umquam tuis, quod flagitium a toto corpore afuit? cui tu adulescentulo, quem corruptelarum inlecebris inretisses, non aut ad audaciam ferrum aut ad lubidinem facem praetulisti? [14] Quid vero? nuper cum morte superioris uxoris novis nuptiis domum vacuefecisses, nonne etiam alio incredibili scelere hoc scelus cumulasti? quod ego praetermitto et facile patior sileri, ne in hac civitate tanti facinoris inmanitas aut extitisse aut non vindicata esse videatur. Praetermitto ruinas fortunarum tuarum, quas omnis inpendere tibi proxumis Idibus senties; ad illa venio, quae non ad privatam ignominiam vitiorum tuorum, non ad domesticam tuam difficultatem ac turpitudinem sed ad summam rem publicam atque ad omnium nostrum vitam salutemque pertinent. [15] Potestne tibi haec lux, Catilina, aut huius caeli spiritus esse iucundus, cum scias esse horum neminem, qui nesciat te pridie Kalendas Ianuarias Lepido et Tullo consulibus stetisse in comitio cum telo, manum consulum et principum civitatis interficiendorum causa paravisse, sceleri ac furori tuo non mentem aliquam aut timorem tuum sed fortunam populi Romani obstitisse? Welches Zeichen der Hausschande ist deinem Leben nicht eingebrannt? Welche Verruchtheit in deinem Privatleben haftet deinem Ruf nicht an? Welche Gier steht nicht in deinen Augen, welches Verbrechen klebte nicht irgendwann einmal an deinen Händen, welche Schandtat war dir jemals fremd? Welchem jungen Mann, den du durch die Verführung zum Verderben gelockt hast, hast du nicht das Schwert für seine Kühnheit oder die Fackel für seine Begierde vorangetragen? Aber was nun? Als du neulich mit dem Tod deiner vorherigen Frau dein Haus für eine neue Heirat freigemacht hattest, hast du dieses Verbrechen da nicht mit einem anderen unglaublichen Verbrechen noch beschwert? Ich lasse das beiseite und verschweige es gern, damit es nicht so scheint, als ob in diesem Staat die Unermesslichkeit eines solchen Verbrechens bestand und nicht bestraft worden ist. Ich übergehe auch deinen finanziellen Ruin, dessen Drohen du an den nächsten Iden bemerken wirst; ich komme zu dem, was nicht deine private Schande deiner Verfehlungen anbelangt, und auch nicht die Geldnot und Schändlichkeit deiner Familie, sondern ich komme zu dem, was den höchsten Staat und unser aller Leben und Wohl betrifft. Kann dir dieses Licht, Catilina, oder der Hauch dieses Himmels angenehm sein, wenn du weißt, dass niemand unter ihnen ist, der nicht wüsste, dass du am Tag vor den Kalenden des Ianuar (31. Dezember) unter den Konsuln Lepidus und Tullius mit Waffen bei den Komitien aufgetaucht bist, dass du eine Schar aufgestellt hast, um die Konsuln und die Führer des Gemeinwesens zu töten, und dass deinem Verbrechen und deinem Wüten nicht irgendeine Vernunft oder Furcht deinerseits, sondern das Glück des römischen Volkes im Wege standen?
Ac iam illa omitto–neque enim sunt aut obscura aut non multa commissa postea–quotiens tu me designatum, quotiens consulem interficere conatus es! quot ego tuas petitiones ita coniectas, ut vitari posse non viderentur, parva quadam declinatione et, ut aiunt, corpore effugi! nihil [agis, nihil] adsequeris [, nihil moliris] neque tamen conari ac velle desistis. [16] Quotiens tibi iam extorta est ista sica de manibus, quotiens [vero] excidit casu aliquo et elapsa est! [tamen ea carere diutius non potes] quae quidem quibus abs te initiata sacris ac devota sit, nescio, quod eam necesse putas esse in consulis corpore defigere. Aber all dies übergehe ich – denn diese Dinge sind weder unbekant, noch fehlen viele danach begangene Verbrechen – wie oft du mich als designierten und wie oft du mich als Konsul selbst zu töten versucht hast! Wie vielen deiner Angriffe, die du so angehäuft hast, dass es aussah, als könnte man ihnen nicht entgehen, entkam ich durch kleine Ausweichmanöver und, wie man sagt, mit meinem Körper! Nichts [bekommst du hin, nichts] vollendest du, [nichts bringst du zustande,] und dennoch hörst du nicht auf, es zu versuchen und zu wünschen. Wie oft wurde dir schon der Dolch aus den Händen gerissen, wie oft rutschte er dir durch Zufall aus der Hand und fiel zu Boden! [Dennoch kannst du ihn nicht länger beiseite lassen.] Ich weiß nicht, durch welche Riten und Verwünschungen er von dir geweiht wurde, dass du meinst, es sei nötig, ihn in den Körper des Konsuls zu stecken.

VII. Teil

VII. Nunc vero quae tua est ista vita? Sic enim iam tecum loquar, non ut odio permotus esse videar, quo debeo, sed ut misericordia, quae tibi nulla debetur. Venisti paulo ante in senatum. Quis te ex hac tanta frequentia totque tuis amicis ac necessariis salutavit? Si hoc post hominum memoriam contigit nemini, vocis expectas contumeliam, cum sis gravissimo iudicio taciturnitatis oppressus? Quid, quod adventu tuo ista subsellia vacuefacta sunt, quod omnes consulares, qui tibi persaepe ad caedem constituti fuerunt, simul atque adsedisti, partem istam subselliorum nudam atque inanem reliquerunt, quo tandem animo [hoc] tibi ferundum putas? Aber was ist nun mit deinem Leben? Denn ich will so mit dir reden, dass es nicht scheint, als sei ich zornig, was ich sein müsste, sondern als hätte ich Mitleid mit dir, das dir keineswegs zusteht. Du kamst vorhin in den Senat. Wer aus dieser großen Menge und von deinen vielen Freunden und Verwandten hat dich begrüßt? Wenn das seit Menschengedenken noch niemandem gelungen ist, erwartest du eine Schmähung mit Worten, weil du vom schwerwiegenden Richtspruch mit Verschwiegenheit geschlagen wurdest? Wie kommt’s, dass bei deiner Ankunft die Sitzbänke dort leergeblieben sind, dass alle Konsularen, die du schon oft zum Tode verurteilt hast, in dem Augenblick, als du dich gesetzt hast, diesen Teil der Sitzbänke leer und nackt zurückließen, was meinst du, mit welchem Mut du das ertragen musst?
[17] Servi mehercule mei si me isto pacto metuerent, ut te metuunt omnes cives tui, domum meam relinquendam putarem; tu tibi urbem non arbitraris? et, si me meis civibus iniuria suspectum tam graviter atque offensum viderem, carere me aspectu civium quam infestis omnium oculis conspici mallem; tu cum conscientia scelerum tuorum agnoscas odium omnium iustum et iam diu tibi debitum, dubitas, quorum mentes sensusque volneras, eorum aspectum praesentiamque vitare? Si te parentes timerent atque odissent tui neque eos ulla ratione placare posses, ut opinor, ab eorum oculis aliquo concederes. Nunc te patria, quae communis est parens omnium nostrum, odit ac metuit et iam diu nihil te iudicat nisi de parricidio suo cogitare; huius tu neque auctoritatem verebere nec iudicium sequere nec vim pertimesces? Wenn meine Sklaven, beim Herkules, mich in solchem Maße fürchten würden, wie dich all deine Mitbürger fürchten, würde ich denken, ich muss mein Haus verlassen; meinst du nicht, dass du die Stadt verlassen musst? Und wenn ich sehen würde, dass meine Mitbürger mich so schwer des Unrechts verdächtigen und ich ihnen so sehr missfalle, dann würde ich lieber aus den Augen meiner Mitbürger verschwinden als von den feindseligen Augen aller beäugt zu werden. Obwohl du doch den gerechten Hass aller wegen des Wissens um deine Verbrechen bemerkst, der dir schon lange geschuldet wurde, zögerst du, dich dem Blick und der Anwesenheit der Leute zu entziehen, deren Geist und Sinne du verletzt hast? Wenn dich deine Eltern fürchten und hassen würden und du ihnen auf keine Weise mehr gefällig sein könntest, wie ich vermute, würdest du auch ihnen aus den Augen gehen. Nun hasst und fürchtet dich dein Vaterland, das unser aller gemeinschaftlicher Vater ist, und dich schon lange nur noch wegen deiner Brudermordpläne verurteilt; wirst du weder sein Ansehen fürchten noch sein Urteil befolgen noch seine Gewalt fürchten?
[18] Quae tecum, Catilina, sic agit et quodam modo tacita loquitur: „Nullum iam aliquot annis facinus exstitit nisi per te, nullum flagitium sine te; tibi uni multorum civium neces, tibi vexatio direptioque sociorum inpunita fuit ac libera; tu non solum ad neglegendas leges et quaestiones, verum etiam ad evertendas perfringendasque valuisti. Superiora illa, quamquam ferenda non fuerunt, tamen, ut potui, tuli; nunc vero me totam esse in metu propter unum te, quicquid increpuerit, Catilinam timeri, nullum videri contra me consilium iniri posse, quod a tuo scelere abhorreat, non est ferendum. Quam ob rem discede atque hunc mihi timorem eripe; si est verus, ne opprimar, sin falsus, ut tandem aliquando timere desinam.“ Dieses Vaterland spricht mit dir, Catilina, und spricht sozusagen schweigend: „Seit einigen Jahren gab es kein Verbrechen, außer durch dich, keinen Frevel ohne dich; für dich allein waren die Morde an vielen Bürgern, für dich allein waren das Quälen und die Plünderung der Bundesgenossen straflos und gestattet; du warst nicht nur beim Missachten der Gesetze und Gerichte, sondern auch bei ihrem Umsturz und ihrem Zerbrechen eifrig beteiligt. Frühere Verbrechen habe ich, obwohl man sie nicht hätte dulden müssen, dennoch geduldet, soweit ich konnte; nun aber kann ich aber nicht mehr ertragen, dass ich ganz und gar einzig deinetwegen in Panik bin, und dass man, wo auch immer etwas raschelt, den Catilina befürchtet, und dass offenbar kein Plan gegen mich begonnen werden kann, der nichts mit einem deiner Verbrechen zu tun hat. Deshalb verschwinde und nimm diese Angst von mir; damit ich nicht zerquetscht werde, falls sie wahr ist, und damit ich einmal aufhören kann, mich zu fürchten, falls sie falsch sein sollte.“

VIII. Teil

[19] VIII. Haec si tecum, ita ut dixi, patria loquatur, nonne impetrare debeat, etiamsi vim adhibere non possit? Quid, quod tu te ipse in custodiam dedisti, quod vitandae suspicionis causa ad M‘. Lepidum te habitare velle dixisti? A quo non receptus etiam ad me venire ausus es atque, ut domi meae te adservarem, rogasti. Cum a me quoque id responsum tulisses, me nullo modo posse isdem parietibus tuto esse tecum, qui magno in periculo essem, quod isdem moenibus contineremur, ad Q. Metellum praetorem venisti. A quo repudiatus ad sodalem tuum, virum optumum, M. Metellum, demigrasti; quem tu videlicet et ad custodiendum diligentissimum et ad suspicandum sagacissimum et ad vindicandum fortissimum fore putasti. Sed quam longe videtur a carcere atque a vinculis abesse debere, qui se ipse iam dignum custodia iudicarit! Wenn das Vaterland zu dir, wie ich sagte, solche Dinge spricht, muss es dann nicht Erfolg haben, selbst wenn es keine Gewalt anwenden kann? Warum hast du dich selbst in die Bewachung übergeben, warum hast du gesagt, dass du, um den Verdacht von dir abzuwenden, bei Manlius Lepidus wohnen willst? Als du von dem nicht aufgenommen wurdest, hast du es gewagt, zu mir zu kommen und darum gebeten, dass ich dich in meinem Haus genau im Auge behalte. Weil du von mir dieselbe Antwort erhalten hattest, dass ich niemals mit dir in demselben Haus sicher sein könnte, dass ich vielmehr in großer Gefahr sei, weil wir uns in denselben Mauern aufhalten, deshalb bist du zum Praetor Quintus Metellus gegangen. Als du auch von dem zurückgewiesen wurdest, bist du zu deinem Freunde gegangen, einem hervorragenden Mann, Marcus Metellus; du dachtest, der sei freilich besonders sorgfältig beim Bewachen und besonders scharfsinnig beim Verdächtigen, und besonders streng beim Verurteilen. Aber wie fern scheint jemand vom Kerker und vom Gefängnis sein zu müssen, der sich selbst für würdig hält, bewacht zu werden?
[20] Quae cum ita sint, Catilina, dubitas, si emori aequo animo non potes, abire in aliquas terras et vitam istam multis suppliciis iustis debitisque ereptam fugae solitudinique mandare? „Refer“ inquis „ad senatum“; id enim postulas et, si hic ordo [sibi] placere decreverit te ire in exilium, optemperaturum te esse dicis. Non referam, id quod abhorret a meis moribus, et tamen faciam, ut intellegas, quid hi de te sentiant. Egredere ex urbe, Catilina, libera rem publicam metu, in exilium, si hanc vocem exspectas, proficiscere. Quid est, Catilina? ecquid attendis, ecquid animadvertis horum silentium? Patiuntur, tacent. Quid exspectas auctoritatem loquentium, quorum voluntatem tacitorum perspicis? Wenn die Dinge sich so verhalten, Catilina, zögerst du dann, wenn du nicht gleichmütig sterben kannst, irgendwohin zu verschwinden und dein Leben, das dir von den vielen gerechten und geschuldeten Strafen entrissen wurde, Flucht und Einsamkeit zu widmen? „Erzähl’s“, sagst du, „dem Senat“; das nämlich forderst du und, wenn dieser Senatorenstand beschließt, dass es [ihm] gefällt, wenn du ins Exil gehst, sagst du, dann würdest du gehorchen. Ich werde nichts erzählen, das widerspricht meiner Art, und dennoch will ich dafür sorgen, dass du einsiehst, was diese Leute über dich denken. Verlass die Stadt, Catilina, befreie den Staat von seiner Furcht, brich auf ins Exil, wenn du dieses Wort hören willst. Was ist, Catilina? Hörst du etwas, bemerkst du irgendetwas in dieser Stille? Sie dulden es, sie schweigen. Was erwartest du die Autorität gesprochener Worte, wenn du doch den Willen der Schweigenden kennst?
[21] At si hoc idem huic adulescenti optimo, P. Sestio, si fortissimo viro, M. Marcello, dixissem, iam mihi consuli hoc ipso in templo iure optimo senatus vim et manus intulisset. De te autem, Catilina, cum quiescunt, probant, cum patiuntur, decernunt, cum tacent, clamant, neque hi solum, quorum tibi auctoritas est videlicet cara, vita vilissima, sed etiam illi equites Romani, honestissimi atque optimi viri, ceterique fortissimi cives, qui circumstant senatum, quorum tu et frequentiam videre et studia perspicere et voces paulo ante exaudire potuisti. Quorum ego vix abs te iam diu manus ac tela contineo, eosdem facile adducam, ut te haec, quae vastare iam pridem studes, relinquentem usque ad portas prosequantur. Aber wenn ich ebenso zu diesem herausragenden jungen Mann, Publius Sestius, wenn ich es zum tapferen Marcus Marcellus gesprochen hätte, schon hätte der Senat mir, dem Konsul, in ebendiesem Tempel nach bestem Recht Gewalt angetan und Hand an mich gelegt. Aber sie prüfen dich, indem sie schweigen, sie beschließen etwas, indem sie es erdulden, sie rufen, indem sie schweigen, und nicht nur sie, deren Ansehen dir freilich teuer ist, wenn auch ihr Leben sehr gleichgültig, sondern auch jene römischen Ritter, hochanständige und hervorragende Männer, und die übrigen hochtapferen Mitbürger, die um den Senat herum stehen, deren große Zahl du sehen konntest und deren Eifer du ihnen ansehen konntest und deren Stimmen du kurz zuvor vernehmen konntest. Deren Hände und Waffen kann ich kaum länger von dir abhalten, und ebendiese könnte ich leicht überzeugen, dass sie dich – wenn du das, was du schon längst zerstören wolltest, verlässt – zu den Toren begleiten.

IX. Teil

[22] IX. Quamquam quid loquor? te ut ulla res frangat, tu ut umquam te corrigas, tu ut ullam fugam meditere, tu ut ullum exilium cogites? Utinam tibi istam mentem di inmortales duint! tametsi video, si mea voce perterritus ire in exilium animum induxeris quanta tempestas invidiae nobis, si minus in praesens tempus recenti memoria scelerum tuorum, at in posteritatem impendeat. Sed est tanti, dum modo ista sit privata calamitas et a rei publicae periculis seiungatur. Sed tu ut vitiis tuis commoveare, ut legum poenas pertimescas, ut temporibus rei publicae cedas, non est postulandum. Neque enim is es, Catilina, ut te aut pudor umquam a turpitudine aut metus a periculo aut ratio a furore revocarit. Was spreche ich eigentlich noch? Damit dich irgendeine Sache verunsichert, damit du dich eines Tages besserst, damit du über eine Flucht nachsinnst, damit du ein Exil erwägst? Ach gäben dir die unsterblichen Götter doch diese Einsicht! Dennoch sehe ich, was für ein Sturm des Hasses uns droht, wenn du, erschrocken über meine Worte, planst, ins Exil zu gehen, wenn auch weniger zu dieser Zeit in früher Erinnerung an deine Verbrechen, aber in Zukunft. Aber so groß ist der Preis, solange nur dieses ein privates Unglück sein wird und von Gefahren für den Staat getrennt wird. Aber man darf nicht erwarten, dass du deine Fehler bereust, dass du die Strafen des Gesetztes fürchtest, oder dass du beizeiten aus dem Staat verschwindest. Denn du bist nicht so einer, Catilina, dass dich jemals Scham von einer Schändlichkeit oder Furcht von einer Gefahr oder Vernunft vom Wüten abhält.
[23] Quam ob rem, ut saepe iam dixi, proficiscere ac, si mihi inimico, ut praedicas, tuo conflare vis invidiam, recta perge in exilium; vix feram sermones hominum, si id feceris, vix molem istius invidiae, si in exilium iussu consulis ieris, sustinebo. Sin autem servire meae laudi et gloriae mavis, egredere cum inportuna sceleratorum manu, confer te ad Manlium, concita perditos cives, secerne te a bonis, infer patriae bellum, exsulta impio latrocinio, ut a me non eiectus ad alienos, sed invitatus ad tuos isse videaris. Deswegen, wie ich schon sagte, brich auf und, wenn du deinen Hass auf mich als deinen Feind, wie du sagst, konzentrieren willst, dann ab ins Exil mit dir; ich ertrage ja kaum die Gespräche der Menschen, wenn du das tust, und ich werde die Last des Hasses, wenn du auf Befehl des Konsuls in die Verbannung gehst, kaum aushalten. Wenn du aber lieber meinem Ruhm und Ansehen dienen willst, dann geh mit deiner lästigen Verbrecherschar, versammelt euch bei Manlius, wiegele die armen Bürger auf, trenne dich deutlich von den Guten, bring dem Vaterland Krieg, vergnüge dich an deiner unfrommen Räuberei, damit es so wirkt, als wärst du von mir nicht zu den Fremden verbannt worden, sondern eingeladen worden, zu deinen Leuten zu gehen.
[24] Quamquam quid ego te invitem, a quo iam sciam esse praemissos, qui tibi ad Forum Aurelium praestolarentur armati, cui iam sciam pactam et constitutam cum Manlio diem, a quo etiam aquilam illam argenteam, quam tibi ac tuis omnibus confido perniciosam ac funestam futuram, cui domi tuae sacrarium [scelerum tuorum] constitutum fuit, sciam esse praemissam? Tu ut illa carere diutius possis, quam venerari ad caedem proficiscens solebas, a cuius altaribus saepe istam impiam dexteram ad necem civium transtulisti? Was bitte ich dich überhaupt, ich weiß doch, dass du schon Leute vorausgeschickt hast, die beim Forum Aurelium bewaffnet auf dich warten, ich weiß doch, dass du schon mit Manlius eine Abmachung hast und einen Tag ausgesucht hast, ich weiß doch, dass du diesen silbernen Adler, der für dich und all deine Leute, darauf vertraue ich, Verderben und Grab sein wird, für den in deinem Haus ein Heiligtum [deiner Verbrechen] aufgebaut war, schon vorausgeschickt hast? Wie könntest du auch länger von ihm entfernt sein, wo du doch pflegtest, ihn beim Aufbruch zu einem Mord anzubeten, ihn, von dessen Altar du so oft deine frevlerische Hand zum Mord an den Bürgern brachtest?

X. Teil

[25] X. Ibis tandem aliquando, quo te iam pridem ista tua cupiditas effrenata ac furiosa rapiebat; neque enim tibi haec res adfert dolorem, sed quandam incredibilem voluptatem. Ad hanc te amentiam natura peperit, voluntas exercuit, fortuna servavit. Numquam tu non modo otium, sed ne bellum quidem nisi nefarium concupisti. Nactus es ex perditis atque ab omni non modo fortuna, verum etiam spe derelictis conflatam inproborum manum. [26] Hic tu qua laetitia perfruere, quibus gaudiis exultabis, quanta in voluptate bacchabere, cum in tanto numero tuorum neque audies virum bonum quemquam neque videbis! Ad huius vitae studium meditati illi sunt, qui feruntur, labores tui, iacere humi non solum ad obsidendum stuprum, verum etiam ad facinus obeundum, vigilare non solum insidiantem somno maritorum, verum etiam bonis otiosorum. Habes, ubi ostentes tuam illam praeclaram patientiam famis, frigoris, inopiae rerum omnium, quibus te brevi tempore confectum esse senties. [27] Tantum profeci tum, cum te a consulatu reppuli, ut exsul potius temptare quam consul vexare rem publicam posses, atque ut id, quod esset a te scelerate susceptum, latrocinium potius quam bellum nominaretur. Irgendwann wirst du endlich gehen, wohin dich deine zügellose, wilde Gier schon längst gezerrt hat; denn diese Sache macht dich nicht traurig, sondern bereitet dir eine unglaubliche Lust. Zu diesem Irrsinn brachte die Natur dich hervor, dein Wille hat sich darum bemüht, dein Glück hat dich dabei gerettet. Du hast dir nicht nur niemals Frieden, sondern nicht einmal Krieg gewünscht, wenn er nicht frevlerisch war. Du hast eine Schar von Verbrechern gefunden, die aus verarmten und nicht nur von jedem Glück, sondern auch von jeder Hoffnung verlassenen Leuten zusammengeschmolzen ist. Was wirst du für eine Fröhlichkeit genießen, über was für Freuden wirst du jubeln, vor wie großer Lust wirst du taumeln, wenn du in deiner so großen Zahl von Leuten nicht einen einzigen guten Mann sehen oder hören wirst! Deine Bemühungen dienen dem Streben nach diesem Leben, von welchen man spricht, dass du nicht nur zur Hurerei auf dem Boden liegst, sondern auch, um ein Verbrechen zu unternehmen, dass du nicht nur wach bleibst, um dem Schlaf der Ehemänner aufzulauern, sondern auch den Gütern des ruhigen Volkes. Da zeigst du deine berühmte Ausdauer gegenüber Hunger, Kälte und Armut an allen Dingen, und du wirst bald merken, wie du davon erschöpft wirst. So etwas großes habe ich bewirkt, als ich dein Konsulat verhinderte, sodass du eher verbannt angreifen, denn als Konsul den Staat quälen kannst, sodass das, was von dir in frevlerischer Absicht unternommen wurde, eher als Raubzug denn als Krieg bezeichnet wird.

XI. Teil

XI. Nunc, ut a me, patres conscripti, quandam prope iustam patriae querimoniam detester ac deprecer, percipite, quaeso, diligenter, quae dicam, et ea penitus animis vestris mentibusque mandate. Etenim, si mecum patria, quae mihi vita mea multo est carior, si cuncta Italia, si omnis res publica loquatur: Nun will ich eine gewisse, fast berechtigte Klage des Vaterlandes von mir weisen und darum bitten, dass ihr sorgfältig zuhört, ich bitte darum, was ich sagen will, und dass ihr euch diese Worte im Innern eurer Seelen und eurer Köpfe einprägt. Denn: wenn das Vaterland, das mir um Vieles teurer ist als mein Leben, wenn ganz Italien, wenn der ganze Staat mit mir sprechen würde:
„M.Tulli, quid agis? Tune eum, quem esse hostem comperisti, quem ducem belli futurum vides, quem expectari imperatorem in castris hostium sentis, auctorem sceleris, principem coniurationis, evocatorem servorum et civium perditorum, exire patiere, ut abs te non emissus ex urbe, sed immissus in urbem esse videatur? Nonne hunc in vincla duci, non ad mortem rapi, non summo supplicio mactari imperabis? [28] Quid tandem te impedit? mosne maiorum? At persaepe etiam privati in hac re publica perniciosos cives morte multarunt. An leges, quae de civium Romanorum supplicio rogatae sunt? At numquam in hac urbe, qui a re publica defecerunt, civium iura tenuerunt. An invidiam posteritatis times? Praeclaram vero populo Romano refers gratiam, qui te, hominem per te cognitum nulla commendatione maiorum tam mature ad summum imperium per omnis honorum gradus extulit, si propter invidiam aut alicuius periculi metum salutem civium tuorum neglegis. [29] Sed, si quis est invidiae metus, non est vehementius severitatis ac fortitudinis invidia quam inertiae ac nequitiae pertimescenda. An, cum bello vastabitur Italia, vexabuntur urbes, tecta ardebunt tum te non existumas invidiae incendio conflagraturum?“ „Marcus Tullius, was tust du? Lässt du etwa den, von dem du erfahren hast, dass er ein Feind ist, von dem du siehst, dass er ein Kriegsführer sein wird, von dem du spürst, dass er als Befehlshaber im Lager der Feinde erwartet wird, als Urheber eines Verbrechens, als Führer einer Verschwörung, als Aufpeitscher der Sklaven und der verarmten Bürger, lässt du den etwa gehen, sodass es scheint, als sei er nicht von dir aus der Stadt verbannt worden, sondern gegen die Stadt losgeschickt? Wirst du etwa nicht befehlen, dass er ins Gefängnis geführt wird, zum Tode geholt wird, dass er unter höchster Strafe ermordet wird? Was hindert dich denn? Die Sitte der Väter? Aber schon ganz oft haben auch Privatleute in diesem Staat die verbrecherischen Bürger mit dem Tode bestraft. Oder hindern dich die Gesetze, die über die Todesstrafe für römische Bürger beschlossen wurden? Aber wer vom Staat abfiel, hat in dieser Stadt niemals die Bürgerrechte behalten. Oder fürchtest du den Zorn der Nachwelt? Du tust dem römischen Volk einen hervorragenden Gefallen, das dich, einen Menschen ohne jede Empfehlung seiner Vorfahren, der nur durch sich selbst berühmt wurde, so früh zur höchsten Befehlsgewalt durch alle Ehrenämter erhob, wenn du dich aus Missgunst oder aus Furcht vor irgendeiner Gefahr nicht um das Wohl deiner Mitbürger kümmerst. Aber wenn es eine Furcht vor Missgunst ist, musst du den Vorwurf von Strenge und Tapferkeit nicht schwerer fürchten als den Vorwurf der Faulheit und Untätigkeit. Oder meinst du nicht, dass du dann, wenn Italien vom Krieg verwüstet wird, die Städte gequält werden, die Dächer brennen, nicht auch im Feuer der Missgunst brennen wirst?“

XII. Teil

XII. His ego sanctissimis rei publicae vocibus et eorum hominum, qui hoc idem sentiunt, mentibus pauca respondebo. Ego si hoc optimum factu iudicarem, patres conscripti, Catilinam morte multari, unius usuram horae gladiatori isti ad vivendum non dedissem. Etenim si summi viri et clarissimi cives Saturnini et Gracchorum et Flacci et superiorum complurium sanguine non modo se non contaminarunt, sed etiam honestarunt, certe verendum mihi non erat, ne quid hoc parricida civium interfecto invidiae [mihi] in posteritatem redundaret. Quodsi ea mihi maxime inpenderet tamen hoc animo fui semper, ut invidiam virtute partam gloriam, non invidiam putarem. Diesen heiligsten Worten des Staates und den Ansichten der Menschen, die nun ebenso denken, werde ich in wenigen Worten antworten. Wenn ich urteile, dass es das Beste ist, was ich tun kann, Senatoren, dass Catilina mit dem Tod bestraft wird, hätte ich diesem Kerl nicht eine Stunde mehr zu leben gegeben. Denn wenn die höchsten Männer und die berühmtesten Bürger sich mit dem Blut des Saturninus, der Gracchen, des Flaccus und einiger Höherstehender nicht nur nicht befleckten, sondern sogar Ehrungen verschafften, dann muss ich mich freilich nicht fürchten, dass nach dem Tod dieses Bürgermörders [mir] irgendeine Missgunst in späterer Zeit zukommt. Wenn sie mir aber noch so sehr drohte, bin ich dennoch immer der Meinung gewesen, dass ich Neid, der aus meiner Tugendhaftigkeit entstand, für Ruhm und nicht für Neid halten sollte.
[30] Quamquam non nulli sunt in hoc ordine, qui aut ea, quae inminent non videant aut ea, quae vident, dissimulent; qui spem Catilinae mollibus sententiis aluerunt coniurationemque nascentem non credendo corroboraverunt; quorum auctoritate multi non solum improbi, verum etiam inperiti, si in hunc animadvertissem, crudeliter et regie factum esse dicerent. Nunc intellego, si iste, quo intendit, in Manliana castra pervenerit, neminem tam stultum fore, qui non videat coniurationem esse factam neminem tam improbum, qui non fateatur. Hoc autem uno interfecto intellego hanc rei publicae pestem paulisper reprimi, non in perpetuum comprimi posse. Quodsi se eiecerit secumque suos eduxerit et eodem ceteros undique collectos naufragos adgregarit, extinguetur atque delebitur non modo haec tam adulta rei publicae pestis, verum etiam stirps ac semen malorum omnium. Trotzdem gibt es einige in dieser Versammlung, die entweder das, was droht, nicht sehen oder das, was sie sehen, verbergen; diese Leute nähren Catilinas Hoffnung auf milde Urteile und stärken die wachsende Verschwörung durch ihren Unglauben; durch ihr Ansehen würden viele Leute – nicht nur schlechte, sondern auch unerfahrene – wenn ich ihn bestrafen würde behaupten, es sei grausam und herrisch mit ihm verfahren worden. Nun verstehe ich, dass – wenn er in das Lager des Manlius gelangt, wo er hin will – niemand so dumm sein wird, dass er nicht sieht, dass es eine Verschwörung gibt und dass niemand so schlecht sein wird, dass er es nicht zugibt. Nach der Hinrichtung dieses einen aber wird, das sehe ich, dieses Verderben für den Staat ein Weilchen aufgehalten, aber nicht unbegrenzt beschlossen werden können. Wenn er aber flieht und seine Leute mit sich nimmt und die übrigen Schiffbrüchigen, die er überall aufgelesen hat, um sich schart, wird nicht nur diese groß gewachsene Gefahr für den Staat ausgelöscht und vernichtet, sondern sogar der Stamm und der Samen sämtlicher Übel.
[31] Etenim iam diu, patres conscripti, in his periculis coniurationis insidiisque versamur, sed nescio quo pacto omnium scelerum ac veteris furoris et audaciae maturitas in nostri consulatus tempus erupit. Quodsi ex tanto latrocinio iste unus tolletur, videbimur fortasse ad breve quoddam tempus cura et metu esse relevati, periculum autem residebit et erit inclusum penitus in venis atque in visceribus rei publicae. Ut saepe homines aegri morbo gravi cum aestu febrique iactantur, si aquam gelidam biberunt, primo relevari videntur, deinde multo gravius vehementiusque adflictantur, sic hic morbus, qui est in re publica, relevatus istius poena vehementius reliquis vivis ingravescet. Und schon lange, Senatoren, haben wir uns unter den Gefahren und Fallen dieser Verschwörung bewegt, aber irgendwie brach die Reifezeit all dieser Verbrechen und des alten Zorns und der Kühnheit zur Zeit meines Konsulats hervor. Wenn aber aus diesem Raubzug nur dieser eine festgenommen wird, wird es vielleicht auf kurze Zeit so scheinen, als seien wir von Sorge und Furcht befreit, aber die Gefahr wird verbleiben und im Inneren, in den Venen und Eingeweiden des Staats eingeschlossen bleiben. Wie oftmals Menschen, die aufgrund einer harten, schweren Krankheit von Hitze und Fieber gequält werden, sich zunächst zu erholen scheinen, wenn sie eiskaltes Wasser getrunken haben, dann aber umso schwerer und heftiger niedergeschlagen werden, so wird auch diese Krankheit, an der der Staat krankt, wenn er sich durch die Bestrafung dieses Mannes etwas erholt hat, wegen der verbliebenen, lebendigen Leute umso heftiger werden.
[32] Quare secedant inprobi, secernant se a bonis, unum in locum congregentur, muro denique, [id] quod saepe iam dixi, secernantur a nobis; desinant insidiari domi suae consuli, circumstare tribunal praetoris urbani, obsidere cum gladiis curiam, malleolos et faces ad inflammandam urbem comparare; sit denique inscriptum in fronte unius cuiusque, quid de re publica sentiat. Polliceor hoc vobis, patres conscripti, tantam in nobis consulibus fore diligentiam, tantam in vobis auctoritatem, tantam in equitibus Romanis virtutem, tantam in omnibus bonis consensionem, ut Catilinae profectione omnia patefacta, inlustrata, oppressa, vindicata esse videatis. Deshalb sollen die Unanständigen fortgehen, sollen sich so von den Guten trennen, sich an einem Ort sammeln, sollen sich schließlich, was ich schon öfter sagte, durch eine Mauer von uns trennen; sie sollen aufhören, dem Konsul in seinem Haus aufzulauern, sollen aufhören, das Tribunal des Stadtpraetoren zu umstellen, die Curie mit Schwertern zu besetzen und sollen aufhören, Brandpfeile und Fackeln für einen Stadtbrand vorzubereiten; auf die Stirn eines jeden einzelnen soll es eingeschrieben sein, was er über den Staat denkt. Ich verspreche euch dies, Senatoren, wir Konsuln werden eine solche Sorgfalt an den Tag legen, ihr werdet ein solches Ansehen genießen, die römischen Ritter werden eine solche Tugend besitzen, alle guten Männer werden sich so einig sein, dass ihr nach Catilinas Aufbruch alle Dinge offengelegt, aufgeklärt, niedergedrückt und bestraft sehen werdet.
[33] Hisce ominibus, Catilina, cum summa rei publicae salute, cum tua peste ac pernicie cumque eorum exitio, qui se tecum omni scelere parricidioque iunxerunt, proficiscere ad impium bellum ac nefarium. Tu, Iuppiter, qui isdem quibus haec urbs auspiciis a Romulo es constitutus, quem Statorem huius urbis atque imperii vere nominamus, hunc et huius socios a tuis [aris] ceterisque templis, a tectis urbis ac moenibus, a vita fortunisque civium [omnium] arcebis et homines bonorum inimicos, hostis patriae, latrones Italiae scelerum foedere inter se ac nefaria societate coniunctos aeternis suppliciis vivos mortuosque mactabis. Unter diesen Worten, Catilina, für das höchste Wohl des Staates, für dein Verderben und deinen Untergang mitsamt dem Untergang jener, die sich in diesem Verbrechen und Mordplan mit dir verbunden haben – brich auf zu deinem unfrommen, frevlerischen Krieg. Du, Iuppiter, der du bei den Auspizien, unter denen auch diese Stadt gegründet wurde, angerufen wurdest, du, den wir wahrhaftig den Schützer dieser Stadt und dieses Imperiums nennen, du wirst diesen Kerl und seine Genossen von deinen [Äckern und] Tempeln und denen der anderen Götter, von den Dächern und Mauern der Stadt, vom Leben und von den Reichtümern der [gesamten] Bürger abhalten und die Menschen, die den Guten feindlich gesinnt sind, die Feinde des Vaterlandes, die Räuber Italiens, die durch ein Verbrechensbündnis und durch eine frevlerische Gemeinschaft untereinander verbunden sind, mit ewigen Strafen, im Leben und im Tode, bestrafen.