Sermo 2, 7

‚Iamdudum ausculto et cupiens tibi dicere servos
pauca reformido.‘ ‚Davusne?‘ ‚ita, Davus, amicum
mancipium domino et frugi quod sit satis, hoc est,
ut vitale putes.‘ ‚age libertate Decembri,
quando ita maiores voluerunt, utere: narra.‘ 5
„Schon lange höre ich begierig zu und wünsche mir, dir ein paar Worte als Sklave
zu sagen, aber ich scheue zurück.“ „Davus?“ „Ja, Davus, der freundliche
Sklave des Herrn und so brav, wie es nötig ist, also so,
dass man mich für lebenswert hält.“ „Na, nutze die Freiheit des Dezembers,
weil die Vorfahren es so wollten: erzähl.“

‚pars hominum vitiis gaudet constanter et urget
propositum; pars multa natat, modo recta capessens,
interdum pravis obnoxia.
„Ein Teil der Menschen freut sich fortwährend an den Sünden und
dieses Thema drängt; ein großer Teil schwimmt, bald das Richtige unternehmend,
manchmal aber auch dem Schändlichen verfallen.

saepe notatus
cum tribus anellis, modo laeva Priscus inani
vixit inaequalis, clavum ut mutaret in horas, 10
aedibus ex magnis subito se conderet unde
mundior exiret vix libertinus honeste;
iam moechus Romae, iam mallet doctus Athenis
vivere, Vortumnis quotquot sunt natus iniquis.
Oft wurde
mit seinen drei Ringen der Priscus angeschaut, bald lebte er mit leerer linker Hand
unausgeglichen, sodass er den Purpurstreifen jede Stunde wechselte,
plötzlich aus einem großen Anwesen sich in einem versteckte, wo
ein Freigelassener kaum ehrenhaft sich herausgewagt hätte;
bald wollte er lieber als Ehebrecher in Rom, dann in Athen als Gelehrter
leben, wie vielen ungerechten Wandelgöttern auch immer geboren.

scurra Volanerius, postquam illi iusta cheragra 15
contudit articulos, qui pro se tolleret atque
mitteret in phimum talos, mercede diurna
conductum pavit: quanto constantior isdem
in vitiis, tanto levius miser ac prior illo
qui iam contento, iam laxo fune laborat.‘ 20
Nachdem dem Schwätzer Volanerius die rechte Gicht
die Knochen zerrieben hatte, engagierte er einen, der für ihn die
Würfel aufhob und in den Becher steckte, für einen täglichen
Lohn, vor dem er aber Angst bekam: um wie viel stabiler – trotz der gleichen
Sünden – jener war, desto weniger armselig und stärker war er als jener,
der bald am gespannten, bald am gelockerten Seil sich abmüht.“

’non dices hodie, quorsum haec tam putida tendant,
furcifer?‘ ‚ad te, inquam.‘ ‚quo pacto, pessime?‘ ‚laudas
fortunam et mores antiquae plebis, et idem,
siquis ad illa deus subito te agat, usque recuses,
aut quia non sentis, quod clamas, rectius esse, 25
aut quia non firmus rectum defendis et haeres
nequiquam caeno cupiens evellere plantam.
„Wirst du heute nicht mehr sagen, wohin diese morschen Dinge führen sollen,
du Nervtöter?“ „Zu dir, sage ich.“ „Wie das, du Übeltäter?“ „Du lobst
das Schicksal und die Sitten des alten Volkes, und ebenso
würdest du, wenn ein Gott dich plötzlich zu diesen brächte, dich dann weigern,
entweder weil du nicht glaubst, dass das, was du herausposaunst, wirklich richtig ist,
oder weil du nicht fest das Richtige verteidigst und festhängst,
wenn du vergeblich deinen Fuß aus der Scheiße ziehen willst.

Romae rus optas; absentem rusticus urbem
tollis ad astra levis. si nusquam es forte vocatus
ad cenam, laudas securum holus ac, velut usquam 30
vinctus eas, ita te felicem dicis amasque,
quod nusquam tibi sit potandum.
In Rom sehnst du dich nach dem Land; auf dem Land hebst du launisch die entfernte Stadt
zu den Sternen hinauf. Wenn du zufällig nirgendswohin zum Essen eingeladen
bist, lobst du den sorglosen Kohl und, als ob du gezwungen wärst,
irgendwohin zu gehen, sagst du, so wärst du glücklich und das liebtest du,
dass du nirgends trinken müsstest.

iusserit ad se
Maecenas serum sub lumina prima venire
convivam: „nemon oleum fert ocius? ecquis
audit?“ cum magno blateras clamore fugisque. 35
Hat aber Maecenas dir befohlen,
zu ihm zu kommen – spät, beim ersten Laternenlicht,
als Tischgast: ‚Bringt mir niemand die Öllampe, schneller!? Hört mich
einer?‘, quasselst du mit lautem Geschrei und flüchtest.

Mulvius et scurrae, tibi non referenda precati,
discedunt. „etenim fateor me“ dixerit ille
„duci ventre levem, nasum nidore supinor,
inbecillus, iners, siquid vis, adde, popino.
tu cum sis quod ego et fortassis nequior, ultro 40
insectere velut melior verbisque decoris
obvolvas vitium?“
Mulvius und die Mistkerle, die über dich fluchen, dass ich es nicht widergeben kann,
machen sich davon. ‚Ich gebe es natürlich zu‘, könnte jener sagen,
‚dass ich von meinem Bauch leicht verführt werde, die Nase beim Duft anhebe,
weil ich schwach, faul, was auch immer du noch willst, ein Schlemmer bin.
Obwohl du bist, was ich bin, und vielleicht noch nichtsnutziger, verfolgst du
mich auch noch als wärst du besser und verdeckst deinen Fehler
durch schmückende Worte?‘

quid, si me stultior ipso
quingentis empto drachmis deprenderis? aufer
me voltu terrere; manum stomachumque teneto,
dum quae Crispini docuit me ianitor edo. 45
Was, wenn du noch dümmer als ich selbst
ertappt wirst, der dich doch für fünfhundert Drachmen gekauft wurde? Hör auf,
mich mit deiner Miene zu ängstigen; Hand und Wut beherrsche,
während ich verrate, was der Pförtner des Crispinus mich gelehrt hat.

te coniunx aliena capit, meretricula Davum:
peccat uter nostrum cruce dignius? acris ubi me
natura intendit, sub clara nuda lucerna
quaecumque excepit turgentis verbera caudae
clunibus aut agitavit equum lasciva supinum, 50
dimittit neque famosum neque sollicitum, ne
ditior aut formae melioris meiat eodem.
Eines Anderen Ehefrau interessiert dich und ein Flittchen (mich,) den Davus:
welcher von uns beiden begeht das des Kreuzes würdigere Verbrechen? Wenn mich die beißende Natur
erregt, dann nimmt irgendeine nackt unter der hellen Laterne
Stöße meines geschwollenen Schwanzes in ihren
Hintern auf oder treibt den zurückgelehnten Hengst geil an,
entlässt mich weder verrufen noch ängstlich, dass
ein Reicherer oder einer von schönerer Gestalt eben dorthinein gekommen ist.

tu cum proiectis insignibus, anulo equestri
Romanoque habitu, prodis ex iudice Dama,
turpis odoratum caput obscurante lacerna, 55
non es quod simulas? metuens induceris atque
altercante libidinibus tremis ossa pavore.
Wenn du mit abgelegten Insignien, dem Ritterring
und dem römischen Gewand, vom Richter zum Dama geworden, auftrittst,
hässlich mit von einem Kapuzenmantel verborgenem, duftendem Kopf –
bist du dann nicht, was du nachahmst? Furchtsam wirst du hineingeführt und
während Begierden und Furcht widerstreiten, zittern dir die Knochen.

quid refert, uri virgis ferroque necari
auctoratus eas, an turpi clausus in arca,
quo te demisit peccati conscia erilis, 60
contractum genibus tangas caput?
Was spielt es für eine Rolle, ob du, um mit dem Rohrstock geschlagen oder mit dem Schwert getötet zu werden,
für Geld dahin gehst, oder in eine hässliche Kiste eingeschlossen,
in die dich die Mitwisserin des Verbrechens der Herrin gesteckt hat,
wo du zusammengekrümmt mit den Knien an deinen Kopf stößt?

estne marito
matronae peccantis in ambo iusta potestas,
in corruptorem vel iustior?
Ist dem Ehemann der
Frau gegen beide Ehebrecher gerechte Macht gegeben,
aber gerechtere gegen den Verführer?

illa tamen se
non habitu mutatve loco peccatve superne,
cum te formidet mulier neque credat amanti. 65
Sie verändert sich dennoch
nicht an Kleidung oder Ort oder frevelt von oben,
weil dich die Frau fürchtet und dem Liebenden nicht glaubt.

ibis sub furcam prudens dominoque furenti
conmittes rem omnem et vitam et cum corpore famam
evasti: credo, metues doctusque cavebis:
quaeres, quando iterum paveas iterumque perire
possis, o totiens servus. quae belua ruptis, 70
cum semel effugit, reddit se prava catenis?
Du wirst bewusst unter das Joch treten und dem wütenden Herren
all deinen Besitz und dein Leben und mit deinem Körper deinen Ruf
und bist du entkommen: Ich glaube, du wirst dich fürchten und dich erfahren hüten:
Du versuchst herauszufinden, wann du wiederum fürchten kannst und wiederum umkommen
kannst, der du so oft ein Sklave bist. Welches Tier,
das einmal entflohen ist, repariert aus Blödheit seine zerbrochenen Ketten?

„non sum moechus“ ais. neque ego hercule fur, ubi vasa
praetereo sapiens argentea. tolle periclum:
iam vaga prosiliet frenis natura remotis.
tune mihi dominus, rerum imperiis hominumque 75
tot tantisque minor, quem ter vindicta quaterque
inposita haud umquam misera formidine privet?
Du sagst: ‚Ich bin kein Ehebrecher.‘ Ich bin bei Gott auch kein Dieb, wenn ich
weise an den Silberbechern vorbeilaufe. Beseitige die Gefahr:
schon springt die unstete Natur hervor, sind die Zügel entfernt.
Du bist also mein Herr, obwohl du so vielen Befehlen von Dingen und Menschen
unterlegen bist, obwohl dich, dreimal und viermal von ihr
losgekommen, niemals etwas von deiner elenden Furcht befreit?

adde super, dictis quod non levius valeat; nam,
sive vicarius est, qui servo paret, uti mos
vester ait, seu conservus, tibi quid sum ego? nempe 80
tu, mihi qui imperitas, aliis servis miser atque
duceris ut nervis alienis mobile lignum.
Füge noch obendrein, was nicht weniger wichtig ist als das Gesagte; denn
ob es ein Untersklave ist, der einem Sklaven gehorcht, wie ihr zu sagen
pflegt, oder ein Mitsklave – was bin ich dir? Denn
du, der du mir befiehlst, dienst anderen erbärmlich und
wirst wie ein hölzernes Zappelmännchen von fremden Muskeln geführt.

quisnam igitur liber? sapiens sibi qui imperiosus,
quem neque pauperies neque mors neque vincula terrent,
responsare cupidinibus, contemnere honores 85
fortis, et in se ipso totus, teres atque rotundus,
externi nequid valeat per leve morari,
in quem manca ruit semper fortuna. potesne
ex his ut proprium quid noscere?
Wer nämlich ist also frei? Der Weise, der sich selbst befiehlt,
den weder Armut noch Tod noch Gefängnis erschrecken,
der so tapfer ist, den Begierden zu widerstehen, die Ehrungen zu verachten,
und in sich selbst vollkommen ist, glatt und rund,
sodass nichts Äußeres an dem Glatten festzuhalten vermag,
auf den sich das Schicksal nie wirklich stürzen kann. Kannst du
von diesen Dingen etwas als eine Eigenart von dir erkennen?

quinque talenta
poscit te mulier, vexat foribusque repulsum 90
perfundit gelida, rursus vocat: eripe turpi
colla iugo liber, „liber sum“ dic age. non quis.
urget enim dominus mentem non lenis et acris
subiectat lasso stimulos versatque negantem.
Fünf Talente
fordert die Frau von dir, quält dich, wirft dich vor die Türe,
überschüttet dich mit kaltem Wasser, ruft dich zurück: Entreiße deinen Hals
dem schändlichen Joch und sei frei, los, sag: ‚Ich bin frei!‘ Du kannst es nicht.
Denn kein sanfter Herr bedrängt deinen Geist und schlägt in den Erschöpften
scharfe Sporen und dreht ihn, wenn er sich weigert, herum.

vel cum Pausiaca torpes, insane, tabella, 95
qui peccas minus atque ego, cum Fulvi Rutubaeque
aut Pacideiani contento poplite miror
proelia rubrica picta aut carbone, velut si
re vera pugnent, feriant vitentque moventes
arma viri? nequam et cessator Davus; at ipse 100
subtilis veterum iudex et callidus audis.
Oder wenn du vor dem Gemälde des Pausias erstarrst, du Irrer,
in welcher Weise frevelst du weniger als ich, wenn ich des Fulvius und Rutuba
oder des Pacideianus‘ mit rotem Ton oder Kohle gemalte
Kämpfe mit gebeugter Kniekehle bewundere, so als ob
sie tatsächlich kämpften, schlugen und die Männer in Bewegung
den Waffen auswichen? Davus ist nichtsnutzig und ein Faulpelz; aber selbst
hörst du, du seist der an alten Dingen hochgelehrte und gebildete Richter.

nil ego, si ducor libo fumante: tibi ingens
virtus atque animus cenis responsat opimis?
obsequium ventris mihi perniciosius est cur?
tergo plector enim. qui tu inpunitior illa, 105
quae parvo sumi nequeunt, obsonia captas?
Ich bin nichts, wenn mich der duftende Kuchen lockt: Deine ungeheure
Tugend und dein Mut widerstehen also den deftigen Mahlzeiten?
Warm ist der Gehorsam meines Bauches schlimmer?
Ich werde nämlich auf den Rücken geschlagen. Aber du schnappst dir ungestraft Kostbarkeiten,
die man nicht für Kleingeld kaufen kann?

nempe inamarescunt epulae sine fine petitae
inlusique pedes vitiosum ferre recusant
corpus. an hic peccat, sub noctem qui puer uvam
furtiva mutat strigili: qui praedia vendit, 110
nil servile gulae parens habet?
Freilich verbittern Mahlzeiten, die man ohne Ende verlangt
und die hereingelegten Füße weigern sich, den fehlerhaften Körper
zu tragen. Und wenn ein Sklave bei Nacht eine Traube
gegen ein gestohlenes Schabeisen tauscht, frevelt er: wer aber Landgüter verkauft,
hat nichts Sklavisches an sich, wenn er seinem Gaumen gehorcht?

adde, quod idem
non horam tecum esse potes, non otia recte
ponere teque ipsum vitas fugitivus et erro,
iam vino quaerens, iam somno fallere curam,
frustra: nam comes atra premit sequiturque fugacem.‘ 115
Füg hinzu, dass du ebenso
nicht eine Stunde allein sein kannst, die Freizeit nicht richtig
planen kannst, dich selbst meidest wie ein Weggelaufener, und wie ein Landstreicher
bald mit Wein, bald mit Schlaf die Sorge zu vergessen versuchst,
aber vergeblich: denn wie ein dunkler Gefährte bedrängt und folgt sie dem Flüchtigen.“

‚unde mihi lapidem?‘ ‚quorsum est opus?‘ ‚unde sagittas?‘
‚aut insanit homo aut versus facit.‘ ‚ocius hinc te
ni rapis, accedes opera agro nona Sabino.‘
„Woher bekomme ich einen Stein?“ „Wieso braucht es den?“ „Woher Pfeile?“
„Entweder ist der Mann verrückt, oder er dichtet.“ „Wenn du dich nicht schnellstens
davonmachst, dann wirst du als neunter Arbeiter nach Sabinum gehen.“

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