Sermo 2, 3

‚Sic raro scribis, ut toto non quater anno
membranam poscas, scriptorum quaeque retexens,
iratus tibi, quod vini somnique benignus
nil dignum sermone canas.
„So selten schreibt du, dass du nicht einmal viermal in einem ganzen Jahr
Papier forderst, während du wieder vernichtest, was du geschrieben hast,
und zornig mit dir selbst, weil du mit Wein und Schlaf großzügig warst,
singst du über nichts, was der Rede würdig wäre.

quid fiet? at ipsis
Saturnalibus huc fugisti sobrius. ergo 5
dic aliquid dignum promissis. incipe. nil est.
culpantur frustra calami inmeritusque laborat
iratis natus paries dis atque poetis.
Was wird passieren? Aber gerade an den
Saturnalien bist du hierher nüchtern geflohen. Also
sag etwas, das den Versprechen würdig ist. Fang an. Nichts damit.
Vergeblich wird der Füller für schuldig erklärt und unschuldig leidet
die von zornigen Göttern und Dichtern geborene Wand.

atqui voltus erat multa et praeclara minantis,
si vacuum tepido cepisset villula tecto. 10
quorsum pertinuit stipare Platona Menandro?
Eupolin, Archilochum, comites educere tantos?
invidiam placare paras virtute relicta?
Hatte ich doch die Miene eines viele schöne Dinge planenden Mannes,
wenn mich in der freien Zeit das Landhäuschen unter warmem Dach empfing.
Wozu sollte das dienen, den Platon in den Menander hineinzustopfen?
Den Eupolis, den Archilochus, so viele Gefährten hervorzulocken?
Versuchst du, den Neid ohne Tugend zu besänftigen?

contemnere miser. vitanda est inproba Siren
desidia, aut quidquid vita meliore parasti 15
ponendum aequo animo.‘ ‚di te, Damasippe, deaeque
verum ob consilium donent tonsore. sed unde
tam bene me nosti?‘
Man wird dich verachten, du Armer. Meiden muss man die unanständige Sirene
Faulheit, oder was immer du durch ein besseres Leben dir verschafft hast,
musst du mit Gleichmut abgeben können.“ „Die Götter und Göttinnen mögen dich, Damasippus,
wegen deiner wahren Gedanken mit einem Frisör beschenken. Aber woher
kennst du mich so gut?“

‚postquam omnis res mea Ianum
ad medium fracta est, aliena negotia curo
excussus propriis. olim nam quaerere amabam, 20
quo vafer ille pedes lavisset Sisyphus aere,
quid scalptum infabre, quid fusum durius esset.
„Nachdem all mein Vermögen am mittleren
Janus zerbrochen ist, kümmere ich mich um anderer Leute Geschäfte,
weil ich ja keine eigenen mehr habe. Einst nämlich liebte ich es, zu forschen,
in welchem Erz der clevere Sisyphus seine Füße wusch,
was ungeschickt geschliffen, was allzu hart gegossen wurde.

callidus huic signo ponebam milia centum;
hortos egregiasque domos mercarier unus
cum lucro noram; unde frequentia Mercuriale 25
inposuere mihi cognomen compita.‘
Erfahren bewerte ich dieses Bild mit 100.000 Sesterzen;
ich allein kann Gärten und wunderschöne Häuser mit Gewinn
verkaufen; daher gaben mir die belebten Straßen den
Beinamen ‚Der Mercurialische'“.

’novi
et miror morbi purgatum te illius. atqui
emovit veterem mire novus, ut solet, in cor
traiecto lateris miseri capitisve dolore,
ut lethargicus hic cum fit pugil et medicum urget. 30
dum nequid simile huic, esto ut libet.‘
Ich weiß
und ich wundere mich, dass du von dieser Krankheit geheilt bist. Aber
eine neue Krankheit hat die alte vertrieben, wie das zu sein pflegt, nachdem der
Schmerz sich aus den Lenden und dem armen Kopf ins Herz verschoben hat,
wie der Faulpelz plötzlich ein Boxer wird und den Arzt bedrängt.
Solange es nichts derartiges ist, sei es, wie es will.“

‚o bone, ne te
frustrere: insanis et tu stultique prope omnes,
siquid Stertinius veri crepat, unde ego mira
descripsi docilis praecepta haec, tempore quo me
solatus iussit sapientem pascere barbam 35
atque a Fabricio non tristem ponte reverti.
„Oh mein Guter, täusche dich
nicht: Eitel bist auch du und sind fast alle Dummen,
wenn irgendetwas Wahres der Stertinius daherlärmt, von dem ich
gelehrig diese wunderbaren Vorschriften abschrieb, zu der Zeit, als er mir
tröstend befahl, mir einen Weisenbart wachsen zu lassen
und ohne Trauer von der Pons Fabricia zurückzukehren.

nam male re gesta cum vellem mittere operto
me capite in flumen, dexter stetit et „cave faxis
te quicquam indignum. pudor“ inquit „te malus angit,
insanos qui inter vereare insanus haberi. 40
Denn als ich nach dem Verlust meines Vermögens mich kopfüber
in den Fluss stürzen wollte, stand er daneben und sagte: „Hüte dich, dass du nicht
irgendetwas Unwürdiges dir antust. Schlimme Scham quält dich,
der du fürchtest, unter den Verrückten für verrückt gehalten zu werden.

primum nam inquiram, quid sit furere: hoc si erit in te
solo, nil verbi, pereas quin fortiter, addam.
quem mala stultitia et quemcumque inscitia veri
caecum agit, insanum Chrysippi porticus et grex
autumat. haec populos, haec magnos formula reges, 45
excepto sapiente, tenet.
Denn als erstes will ich erforschen, was Verrücktsein ist: Wenn du allein
darunter leidest, werde ich kein weiteres Wort hinzufügen, dass du nicht tapfer stürbest.
Wen die schlimme Dummheit und wen das Unwissen wahrheitsblind
umhertreibt, nennen Vorläufer und Nachfolger Chrysipps einen
Verrückten. Diese Definition gilt bei Völkern, gilt bei den großen Königen,
nur nicht beim Weisen.

nunc accipe, quare
desipiant omnes aeque ac tu, qui tibi nomen
insano posuere. velut silvis, ubi passim
palantis error certo de tramite pellit,
ille sinistrorsum, hic dextrorsum abit, unus utrique 50
error, sed variis inludit partibus: hoc te
crede modo insanum, nihilo ut sapientior ille
qui te deridet caudam trahat.
Nun höre, warum
alle Leute genauso irre sind wie du, die dir den Namen
‚verrückt‘ gegeben haben. Wie in den Wäldern, wo der
Irrweg die kreuz und quer umherschweifenden vom sicheren Weg abtreibt,
der eine nach links, ein anderer nach rechts abschweift, und der Irrweg beide,
wenn auch in verschiedene Richtungen, verwirrt: Glaub mir, dass du auf dieselbe
Weise verirrt bist, sodass um nichts klüger seinen Schwanz daher
schleppt, der dich auslacht.

est genus unum
stultitiae nihilum metuenda timentis, ut ignis,
ut rupes fluviosque in campo obstare queratur; 55
alterum et huic varum et nihilo sapientius ignis
per medios fluviosque ruentis: clamet amica
mater, honesta soror cum cognatis, pater, uxor:
‚hic fossa est ingens, hic rupes maxima: serva!‘
Es gibt eine Art der
Dummheit dessen, der fürchtet, was man nicht fürchten muss, sodass er
sich beklagt, Feuer Fels und Flüsse stünden ihm auf dem freien Feld im Weg;
und eine andere, die ihr entgegengesetzt ist und um nichts klüger ist, diejenige,
sich mitten durchs Feuer und den Fluss zu stürzen: Freundin und Mutter,
die ehrbare Schwester mit den Verwandten, Vater und Ehefrau schreien:
„Hier ist ein riesiger Graben, hier eine steile Klippe: Rette dich!“

non magis audierit, quam Fufius ebrius olim, 60
cum Ilionam edormit, Catienis mille ducentis
‚mater, te appello‘ clamantibus. huic ego volgus
errori similem cunctum insanire docebo.
Er hat nicht besser gehört als der betrunkene Fufius einst,
als er die Hekabe verschlief, während tausende Catieni
„Mutter, ich flehe dich an!“ brüllten. Ich werde dir vorführen, dass das ganze Volk
in ähnlicher Weise wie dieser Irrsinn irre ist.

insanit veteres statuas Damasippus emendo:
integer est mentis Damasippi creditor? esto. 65
‚accipe quod numquam reddas mihi‘ si tibi dicam:
tune insanus eris, si acceperis, an magis excors
reiecta praeda, quam praesens Mercurius fert?
Der Damasippus ist, weil er alte Statuen aufkauft, verrückt:
ist dann der Gläubiger des Damasippus gesunden Verstandes? So sei es.
„Nimm, was du mir niemals zurückgeben sollst.“ Wenn ich das zu dir sage:
Wärst du verrückt, würdest du es akzeptieren, oder mehr noch, wenn du die Beute
einfältig ausschlägst, die dir der beistehende Mercur bringt?

scribe decem a Nerio: non est satis; adde Cicutae
nodosi tabulas, centum, mille adde catenas: 70
effugiet tamen haec sceleratus vincula Proteus.
cum rapies in ius malis ridentem alienis,
fiet aper, modo avis, modo saxum et, cum volet, arbor
si male rem gerere insani est, contra bene sani:
putidius multo cerebrum est, mihi crede, Perelli 75
dictantis, quod tu numquam rescribere possis.
Lass den Zehner bei Nerius dokumentieren: das reicht nicht; füge die Archive
des knotigen Cicuta dazu, füge hundert, tausend Ketten hinzu:
der verbrecherische Proteus wird dennoch diesen Fesseln entfliehen.
Wenn du ihn zum Prozess schleppst, über fremde Übel lachend,
wird er bald ein Eber, bald ein Vogel, bald ein Stein und, sobald er es will, ein Baum,
wo doch sein Vermögen schlecht zusammenzuhalten ein Zeichen des Irrsinns, dagegen dies gut zu tun eines der Vernunft ist:
Das Gehirn des Perellius ist um Vieles morscher, glaub mir,
weil er dir auferlegt, was du niemals einlösen kannst.

audire atque togam iubeo conponere, quisquis
ambitione mala aut argenti pallet amore,
quisquis luxuria tristive superstitione
aut alio mentis morbo calet: huc propius me, 80
dum doceo insanire omnis vos, ordine adite.
Ich befehle, dass zuhört und die Toga richtet, wer auch immer
von bösem Ehrgeiz oder Geldgier erbleicht,
wer auch immer von Verschwendungssucht oder traurigem Aberglauben
oder einer anderen Geisteskrankheit glüht: hierher, näher zu mir,
kommt in Reih und Glied herbei, während ich vorführe, wie ihr alle spinnt.

danda est ellebori multo pars maxima avaris:
nescio an Anticyram ratio illis destinet omnem.
heredes Staberi summam incidere sepulcro,
ni sic fecissent, gladiatorum dare centum 85
damnati populo paria atque epulum arbitrio Arri,
frumenti quantum metit Africa.
Den bei weitem größten Teil des Nieswurz muss man den Gierigen geben:
möglicherweise bestimmt ihnen ihr Denken ganz Anticyra.
Die Erben des Staberius gravierten auf sein Grab die Summe,
dass sie, wenn sie es nicht täten, hundert Gladiatorenpaare
dem Volk zu geben verdammt wären und ein Mahl unter dem Richter Arrius,
so viel Getreide, wie Afrika an Ertrag bringt.

’sive ego prave
seu recte hoc volui, ne sis patruus mihi‘: credo,
hoc Staberi prudentem animum vidisse. quid ergo
sensit, cum summam patrimoni insculpere saxo 90
heredes voluit?
„Ob ich das unrechtmäßig
oder rechtmäßig wollte, sei mir nicht mein Onkel!“: Ich glaube,
dass Staberius‘ kluger Geist dies vorhergesehen hat. Was nämlich
hatte er im Sinn, als er erlangte, dass seine Erben die Summe des Erbes
in den Stein gravierten?

quoad vixit, credidit ingens
pauperiem vitium et cavit nihil acrius, ut, si
forte minus locuples uno quadrante perisset,
ipse videretur sibi nequior.
Solange er lebte, meinte er, die Armut sei
ein ungeheures Übel und hütete sich vor nichts schärfer, als davor, dass er,
wenn er zufällig auch nur um einen Viertelas ärmer stürbe,
sich weniger fähig vorgekommen wäre.

‚omnis enim res,
virtus, fama, decus, divina humanaque pulchris 95
divitiis parent; quas qui construxerit, ille
clarus erit, fortis, iustus.‘ ’sapiensne?‘ ‚etiam, et rex
et quidquid volet.‘
Denn jede Sache,
Tugend, Ruf, Ruhm, menschliche wie göttliche Dinge gehorchen dem schönen
Reichtum; wer sich den gebaut hat, der
wird berühmt sein, tapfer und gerecht. „Und weise?“ Auch, und ein König
und was immer er will.

hoc veluti virtute paratum
speravit magnae laudi fore. quid simile isti
Graecus Aristippus? qui servos proicere aurum 100
in media iussit Libya, quia tardius irent
propter onus segnes. uter est insanior horum?
Als ob er sich das durch Tugend verdient hätte,
hoffte er, er werde dafür schwer gelobt werden. Worin ist der Grieche
Aristippus diesem Kerl ähnlich? Der befahl, dass seine Sklaven Gold mitten
in Lybien um sich würfen, weil sie immer langsamer gingen,
weil sie unter der Last so erschöpft wurden. Welcher von ihnen ist nun verrückter?

nil agit exemplum, litem quod lite resolvit.
siquis emat citharas, emptas conportet in unum,
nec studio citharae nec Musae deditus ulli, 105
si scalpra et formas non sutor, nautica vela
aversus mercaturis: delirus et amens
undique dicatur merito.
Nichts tut das Beispiel, welches den Streit mit Streit auflöst.
Wenn einer Kitharae kauft, sie danach aufeinander häuft,
und dabei garnicht dem Kitharaspiel oder einer Muse geneigt ist,
wenn einer, der kein Schuster ist, Schustermesser und Schablonen einer kauft, der dem See-
handel abgeneigt ist: verrückt und irre
wird er von allen Seiten mit Recht genannt.

qui discrepat istis,
qui nummos aurumque recondit, nescius uti
conpositis metuensque velut contingere sacrum? 110
Worin unterscheidet sich von denen einer,
der Münzen und Gold anhäuft, aber die aufgehäuften Münzen
nicht zu nutzen weiß und sich fürchtet, sie zu berühren, als wär’s verflucht?

siquis ad ingentem frumenti semper acervum
porrectus vigilet cum longo fuste neque illinc
audeat esuriens dominus contingere granum
ac potius foliis parcus vescatur amaris;
si positis intus Chii veterisque Falerni 115
mille cadis—nihil est:
Wenn einer zum riesigen Getreidehaufen immer hingestreckt
mit einem langen Knüppel bewacht und, obwohl er der Herr ist und
hungert, es nicht wagt, ein Korn zu berühren
und sich lieber von bitteren Blättern sparsam ernährt;
wenn im Keller Chierwein und alter Falerner zu tausenden
Weinkrügen – das ist nichts:

tercentum milibus, acre
potet acetum; age si et stramentis incubet unde-
octoginta annos natus, cui stragula vestis,
blattarum ac tinearum epulae, putrescat in arca:
zu dreitausenden Weinkrügen vorhanden ist, während er
sauren Essig trinkt; schau, wenn auch auf Heudecken ein 79 Jahre alter Mann
schläft, obwohl ihm ein kleidsamer Teppich
als Futter für Motten und Rauben in der Schatzkiste verfault:

nimirum insanus paucis videatur, eo quod 120
maxima pars hominum morbo iactatur eodem.
filius aut etiam haec libertus ut ebibat heres,
dis inimice senex custodis? ne tibi desit?
nur ganz wenigen würde der verrückt vorkommen, weil nämlich
der größte Teil der Menschen von derselben Krankheit geschlagen ist.
Damit der Sohn oder der Freigelassene es als dein Erbe austrinken kann,
behütest du es als alter Mann, den Göttern feindlich gesinnt? Damit er dich nicht verlässt?

quantulum enim summae curtabit quisque dierum,
unguere si caules oleo meliore caputque 125
coeperis inpexa foedum porrigine? quare,
si quidvis satis est, peiuras, surripis, aufers
undique? tun sanus?
Um wie wenig wird dir jeder Tag das Gesamte kürzen,
wenn du den Kohl und deinen Kopf, hässlich
von filziger Schuppenflechte, mit besserem Öl einreibst? Wenn dir
doch fast alles genügt, warum schwörst du dann Meineide, raubst, klaust und klaubst
von überall? Bist du noch ganz dicht?

populum si caedere saxis
incipias servosve tuos, quos aere pararis,
insanum te omnes pueri clamentque puellae; 130
cum laqueo uxorem interimis matremque veneno,
incolumi capite es? quid enim?
Wenn du das Volk mit Steinen zu erschlagen
beginnst, und deine Sklaven, die du mit Geld dir verschafft hast,
dann verschreien dich alle Jungen und Mädchen als irre;
wenn du deine Frau mit dem Strick und deine Mutter mit Gift beseitigst,
dann bist du bei Trost? Wie jetzt?

neque tu hoc facis Argis
nec ferro ut demens genetricem occidis Orestes.
an tu reris eum occisa insanisse parente
ac non ante malis dementem actum Furiis quam 135
in matris iugulo ferrum tepefecit acutum?
Du machst das in Argos nicht
und tötest auch nicht mit dem Schwert wie der verrückte Orestes deine Mutter
Oder denkst du, dass er nach dem Tod seiner Mutter erst verrückt geworden sei
und nicht schon von den bösen Furien in den Wahnsinn getrieben wurde, bevor
er das scharfe Schwert in der Kehle der Mutter wärmte?

quin, ex quo est habitus male tutae mentis Orestes,
nil sane fecit quod tu reprehendere possis:
non Pyladen ferro violare aususve sororem
Electran, tantum maledicit utrique vocando 140
hanc Furiam, hunc aliud, iussit quod splendida bilis.
Vielmehr hat Orestes, solange er für geistig krank gehalten wurde,
nichts getan, was du tadeln könntest:
er hat Pylades nicht mit dem Schwert zu verletzen gewagt noch die Schwester
Elektra, lediglich geschimpft hat er über sie beide indem er sie
eine Furie nannte, ihn etwas anderes, was ihm seine glänzende Galle befahl.

pauper Opimius argenti positi intus et auri,
qui Veientanum festis potare diebus
Campana solitus trulla vappamque profestis,
quondam lethargo grandi est oppressus, ut heres 145
iam circum loculos et clavis laetus ovansque
curreret.
Der an zurückgelegtem Silber und Gold arme Opimius
war es gewohnt, an Festtagen Veientanerwein zu trinken
aus kampanischem Krug und an Werktagen den schlechtgewordenen Wein,
als ihn eines Tages eine große Lethargie überkam, sodass der Erbe
bereits fröhlich um die Schatzkisten und Schlüssel herumhüpfte und
-lief.

hunc medicus multum celer atque fidelis
excitat hoc pacto: mensam poni iubet atque
effundi saccos nummorum, accedere pluris
ad numerandum: hominem sic erigit; addit et illud: 150
’ni tua custodis, avidus iam haec auferet heres.‘
Den weckte der Arzt, der schnell herbeikam und treu war,
auf folgende Weise auf: Er befahl, einen Tisch aufzustellen und
Geldsäcke darauf auszuschütten, und dass dann viele herbeikämen,
um das Geld zu zählen: so richtete er den Mann auf; und er sagte dazu:
„Wenn du nicht aufpasst, wird dein gieriger Erbe dir das nun wegnehmen.“

‚men vivo?‘ ‚ut vivas igitur, vigila. hoc age.‘ ‚quid vis?‘
‚deficient inopem venae te, ni cibus atque
ingens accedit stomacho fultura ruenti.
tu cessas? agedum sume hoc tisanarium oryzae.‘ 155
‚quanti emptae?‘ ‚parvo.‘ ‚quanti ergo?‘ ‚octussibus.‘ ‚eheu,
quid refert, morbo an furtis pereamque rapinis?‘
„Aber ich lebe noch?“ „Also gib acht, dass du weiterlebst. Mach das.“ „Was willst du?“
„Die Adern werden dir Schwachem schwinden, wenn nicht Essen und
große Stärkung deinem gebrechlichen Magen zu Hilfe kommt.
Zögerst du? Nun nimm dir schon diesen Reisaufguss.“
„Was hat er gekostet?“ „Wenig.“ „Wie viel also?“ „Acht As.“ „Ach,
was macht es für einen Unterschied, ob ich an Krankheit oder Diebstahl sterbe?“

quisnam igitur sanus? qui non stultus. quid avarus?
stultus et insanus. quid, siquis non sit avarus,
continuo sanus? minime. cur, Stoice? dicam. 160
’non est cardiacus‘ Craterum dixisse putato
‚hic aeger‘. recte est igitur surgetque? negabit.
Wer ist also nun vernünftig? Der, der nicht dumm ist. Was ist mit dem Geizigen?
Der ist dumm UND irre. Was, wenn einer nicht geizig ist,
ist der folglich auch gesund? Nein. Warum, du Stoiker? Ich will es sagen.
Stell dir vor, der Craterus hätte gesagt: „Der Kranke hier hat doch garnichts
am Magen.“ Ist er deswegen gesund und steht auf? Er wird’s verneinen.

[quod latus aut renes morbo temptentur acuto]
non est periurus neque sordidus: inmolet aequis
hic porcum Laribus; verum ambitiosus et audax: 165
naviget Anticyram. quid enim differt, barathrone
dones quidquid habes an numquam utare paratis?
Dass seine Seiten und Nieren von schwerer Krankheit geplagt würden,
erlügt er nicht und sagt er nicht aus Geiz: er opfert den gerechten
Laren hier ein Schwein; aber ehrgeizig und kühn ist er:
er segelt nach Anticyra. Was nämlich macht es für einen Unterschied, ob du dem Abgrund
gibst, was immer du hast, oder das, was du verdient hast, niemals nutzt?

Servius Oppidius Canusi duo praedia, dives
antiquo censu, gnatis divisse duobus
fertur et hoc moriens pueris dixisse vocatis 170
ad lectum:
In Canusia hat Servius Oppidius, ein Reicher nach altem Zensus,
zwei Landgüter seinen beiden Söhnen aufgeteilt haben, wie man
sagt, und soll seinen ans Sterbebett gerufenen Söhnen kurz vor seinem
Tod dies gesagt haben:

‚postquam te talos, Aule, nucesque
ferre sinu laxo, donare et ludere vidi,
te, Tiberi, numerare, cavis abscondere tristem,
extimui, ne vos ageret vesania discors,
tu Nomentanum, tu ne sequerere Cicutam. 175
„Nachdem ich gesehen habe, wie du, Aulus, die Knöchel und Nüsse
locker auf dem Arm gehalten hast, sie verschenkt und verspielt hast,
und wie du, Tiberius, sie gezählt hast und traurig in Höhlen versteckt hast,
fürchtete ich, dass euch zwiespältiger Wahnsinn umtreibe,
dass du Nomentanus und du Cicuta nachfolgst.

quare per divos oratus uterque Penatis
tu cave ne minuas, tu ne maius facias id
quod satis esse putat pater et natura coercet.
Deshalb, bei den Göttern, möge jeder von euch die Penaten bitten,
dass du dich hütest, nicht zu verkleinern, und du, nicht zu vergrößern,
was der Vater für genug hält und die Natur begrenzt./div>

praeterea ne vos titillet gloria, iure
iurando obstringam ambo: uter aedilis fueritve 180
vestrum praetor, is intestabilis et sacer esto.‘
Damit euch außerdem der Ruhm nicht kitzelt, werde ich euch beide
fesseln, indem ihr nach dem Recht schwört: Wenn einer von euch Ädil wird
oder Prätor, soll er verflucht und verdammt sein.

in cicere atque faba bona tu perdasque lupinis,
latus ut in circo spatiere et aeneus ut stes,
nudus agris, nudus nummis, insane, paternis;
scilicet ut plausus quos fert Agrippa feras tu, 185
astuta ingenuum volpes imitata leonem?
In Kichererbsen und leckeren Wolfsbohnen wirst du dein Erbe verlieren,
um im Zirkus ausgedehnt herumzuwandeln und als Kupferbild zu stehen,
aber deines Landguts und deines Vaters Münzen beraubt, du Irrer;
damit du freilich Applaus bekommst, wie Agrippa ihn bekommt,
wenn du listiger Fuchs den edlen Löwen nachgeahmt hast.

nequis humasse velit Aiacem, Atrida, vetas cur?
‚rex sum—‘ nil ultra quaero plebeius. ‚—et aequam
rem imperito, ac sicui videor non iustus, inulto
dicere quod sentit permitto.‘ maxime regum, 190
di tibi dent capta classem redducere Troia.
Warum verbietest du, Atride, dass einer den Ajax begraben will?
„Ich bin der König“ – mehr frag ich nicht, ich bin Plebejer – „und ich befehle eine gerechte
Sache, aber wenn ich einem nicht gerecht erscheint, erlaube ich ihm, unbestraft
zu sagen, was er denkt.“ Größter der Könige,
die Götter mögen dir nach dem Sieg über Troja die Flotte zurückgeben.

ergo consulere et mox respondere licebit?
‚consule.‘ cur Aiax, heros ab Achille secundus,
putescit, totiens servatis clarus Achivis,
gaudeat ut populus Priami Priamusque inhumato, 195
per quem tot iuvenes patrio caruere sepulcro?
Also wird es erlaubt sein, zu fragen und dann zu antworten?
„Frag.“ Warum schimmelt der Ajax, der zweitgrößte Held nach Achilles,
der berühmt ist, weil er so oft Achiver gerettet hat,
dass sich das Volk des Priamus und Priamus selbst freuen, dass er unbestattet bleibt,
durch den so viele junge Männer dem väterlichen Grab fehlen?

‚mille ovium insanus morti dedit, inclitum Ulixen
et Menelaum una mecum se occidere clamans.‘
tu cum pro vitula statuis dulcem Aulide natam
ante aras spargisque mola caput, inprobe, salsa, 200
rectum animi servas?
„Er hat im Wahnsinn tausend Schafe dem Tod gegeben, und schrie dabei, er töte
den Odysseus, den Menelaos und mich gleich mit.“
Aber du, als du statt eines Kalbs in Aulis deine Tochter vor die
Altäre gestellt hast und ihren Kopf mit salzigem Opferschrot besprengt hast, du Verbrecher,
da warst du bei Trost?

‚quorsum?‘ insanus quid enim Aiax
fecit? cum stravit ferro pecus, abstinuit vim
uxore et gnato; mala multa precatus Atridis
non ille aut Teucrum aut ipsum violavit Ulixen.
Was soll das?“ Was hat der irre Ajax denn
getan? Als er mit dem Schwert das Vieh hingemetzelt hat, da hielt er die Gewalt
von Ehefrau und Sohn ab; wenn er auch viele Übel den Atriden gewünscht hat,
hat er doch nicht den Teucrer oder gar den Odysseus verletzt.

‚verum ego, ut haerentis adverso litore navis 205
eriperem, prudens placavi sanguine divos.‘
nempe tuo, furiose? ‚meo, sed non furiosus.‘
qui species alias veris scelerisque tumultu
permixtas capiet, commotus habebitur atque
stultitiane erret nihilum distabit an ira. 210
„Aber ich habe, um die am feindlichen Strand steckenden Schiffe
loszulösen, mit Absicht die Götter mit Blut besänftigt.“
Aber mit deinem eigenen, du Irrer? „Mit meinem, aber nicht irre!“
Wer ein Bild, das sich von der Wahrheit unterscheidet und mit Verbrechen und Chaos
vermischt wist, annimmt, der wird für verwirrt gehalten und
da wird es keienn Unterschied machen, ob er aus Dummheit oder Wahnsinn verwirrt ist.

Aiax inmeritos cum occidit desipit agnos:
cum prudens scelus ob titulos admittis inanis,
stas animo et purum est vitio tibi cum tumidum est cor?
Ajax ist irre, weil er unschuldige Kälber getötet hat:
wenn du absichtlich ein Verbrechen wegen eitlen Ruhms begangen hast,
bist du geistig stabil und dein Herz ist frei von Sünde, wenn es dir anschwillt?

siquis lectica nitidam gestare amet agnam,
huic vestem ut gnatae, paret ancillas, paret aurum, 215
Rufam aut Pusillam appellet fortique marito
destinet uxorem: interdicto huic omne adimat ius
praetor et ad sanos abeat tutela propinquos.
Wenn einer in der Sänfte ein glänzendes Lamm herumtragen möchte,
und ihm wie seiner Tochter ein Kleid, Mägde und Goldschmuck besorgte,
es Rufa oder Pusilla nennt und dann als Frau einem tapferen
Ehemann bestimmte: dem würde der Prätor alle Rechte verbieten und wegnehmen
und seine Vormundschaft ginge auf seine Verwandten über, die noch bei Trost sind.

quid, siquis gnatam pro muta devovet agna,
integer est animi? ne dixeris. ergo ubi prava 220
stultitia, hic summa est insania; qui sceleratus,
et furiosus erit; quem cepit vitrea fama,
hunc circumtonuit gaudens Bellona cruentis.
Wie nun, wenn einer seine Tochter anstatt des stummen Lamms opfert,
ist er im Geiste gesund? Sag das nicht. Wo folglich niederträchtige
Dummheit existiert, da findet sich der größte Wahn; wer ein Verbrecher ist,
der wird auch irre; wen gläserner Ruhm einnimmt,
den umdonnert die mordlustige Bellona.

nunc age luxuriam et Nomentanum arripe mecum.
vincet enim stultos ratio insanire nepotes. 225
hic simul accepit patrimoni mille talenta,
edicit, piscator uti, pomarius, auceps,
unguentarius ac Tusci turba inpia vici,
cum scurris fartor, cum Velabro omne macellum
mane domum veniant.
Nun treibe deine Verschwendungssucht und schnapp dir den Nomentanus mit mir.
Die Vernunft wird beweisen, dass die dummen Schmarotzer auch irre sind.
Sowie einer die tausend Talente aus dem Erbe erhalten hat,
verkündet er, dass der Fischer, der Obsthändler, der Vogelfänger,
der Parfumeur und die ganze unanständige Schar aus dem Tuskerviertel
und der Geflügelhändler mit den Clowns und der ganze Fischmarkt mit dem Velabrus
am Morgen zu ihm kommen mögen.

quid tum? venere frequentes, 230
verba facit leno: ‚quidquid mihi, quidquid et horum
cuique domi est, id crede tuum et vel nunc pete vel cras.‘
accipe quid contra haec iuvenis responderit aequus.
Und dann? Sie kamen zahlreich,
und der Kuppler quatscht daher: „Was immer in meinem oder in dieser Leute
Häuser ist, das betrachte als dein und hol es dir jetzt oder morgen.“
Hör, was auf diese Worte der vernünftige Junge geantwortet hat:

‚in nive Lucana dormis ocreatus, ut aprum
cenem ego; tu piscis hiberno ex aequore verris. 235
segnis ego, indignus qui tantum possideam; aufer,
sume tibi deciens; tibi tantundem; tibi triplex,
unde uxor media currit de nocte vocata.‘
„Du schläfst mit einer Beinschiene im lukanischen Schnee, sodass ich
einen Eber zu Abend esse. Du zerrst die Fische aus dem winterlichen Meer.
Ich bin träge, aber unwürdig, so viel zu besitzen; nimm weg,
nimm dir Hunderttausende; und dir ebensoviel, und dir dreimal so viel,
weil von dir die Ehefrau mitten in der Nacht zu mir gelaufen kommt, wenn ich sie rufe.

filius Aesopi detractam ex aure Metellae,
scilicet ut deciens solidum absorberet, aceto 240
diluit insignem bacam: qui sanior ac si
illud idem in rapidum flumen iaceretve cloacam?
Der Sohn Aesops hat aus dem Ohr der Metella eine Perle
gezogen, um jede Menge Geld natürlich an sich zu ziehen, und sie in Essig
unauffällig versteckt: Ist er deswegen vernünftiger, als wenn
er denselben Betrag in einen reißenden Fluss oder die Kanalisation werfen würde?

Quinti progenies Arri, par nobile fratrum
nequitia et nugis pravorum et amore gemellum
luscinias soliti inpenso prandere coemptas, 245
quorsum abeant? sani ut creta, an carbone notati?
Die Nachkommen des Quintus Arrius, ein nobles Brüderpaar
wie Zwillinge im Hinblick auf Nichtsnutzigkeit, Unfug und Lust an Schandtaten,
die es gewohnt waren, Nachtigallen zu frühstücken, die sie für ungeheure Beträge kauften,
– wohin sollen die gehen? Kreideweiß gesund, oder kohlrabenschwarz markiert?

aedificare casas, plostello adiungere muris,
ludere par inpar, equitare in harundine longa
siquem delectet barbatum, amentia verset.
Hütten bauen, Mäuse an kleine Wagen zu spannen,
Gleich oder Ungleich spielen, auf einem langen Rohr reiten –
wenn das einen bärtigen Mann erfreut, dreht ihn der Irrsinn umher.

si puerilius his ratio esse evincet amare 250
nec quicquam differre, utrumne in pulvere, trimus
quale prius, ludas opus, an meretricis amore
sollicitus plores: quaero, faciasne quod olim
mutatus Polemon?
Wenn die Vernunft beweist, dass zu lieben noch kindischer als das ist,
und es keine Rolle spielt, ob du im Dreck, wie vormals
als Dreijähriger, Matschwerke baust, oder du wegen der Liebe zu einer Hure
erregt weinst: ich frage, ob du tust, was einst der Polemon
nach seiner Umkehrung tat?

ponas insignia morbi,
fasciolas, cubital, focalia, potus ut ille 255
dicitur ex collo furtim carpsisse coronas,
postquam est inpransi correptus voce magistri?
Legst du die Anzeichen der Krankheit ab,
die Binden, Armpolster, Halstücher, wie von einem, der
betrunken war, erzählt wird, dass er verstohlen die Kränze vom Hals genommen habe,
nachdem er von der Stimme des ungefrühstückten Lehrers getadelt wurde?

porrigis irato puero cum poma, recusat;
’sume, catelle‘: negat; si non des, optet. amator
exclusus qui distat, agit ubi secum, eat an non, 260
quo rediturus erat non arcessitus, et haeret
invisis foribus? ’nec nunc, cum me vocet ultro,
accedam? an potius mediter finire dolores?
Wenn du einem zornigen Kind einen Apfel hinhälst, will es ihn nicht;
„Nimm doch, Busselchen“: Er will nicht; wenn du ihm den nicht gibst, fordert er ihn doch. Unterscheidet
sich davon der Liebhaber, der ausgeschlossen wurde, wenn er sich fragt, ob er gehen soll oder nicht,
wohin er zurückgehen sollte, wohin er nicht gerufen wurde, und an der
verhassten Türe festhängt? „Und jetzt, wo sie mich selbst ruft,
soll ich nicht kommen? Oder halte ich es für besser, die Schmerzen zu beenden?

exclusit; revocat: redeam? non, si obsecret.‘ ecce
servos, non paulo sapientior ‚o ere, quae res 265
nec modum habet neque consilium, ratione modoque
tractari non volt.
Sie sperrt mich aus, ruft mich zurück – soll ich zurückgehen? Nein, und wenn sie mich anfleht.“ Schau
die Sklaven an, nicht nur wenig weiser sagt er: „Oh mein Herr, eine Sache, die kein
Maß hat und keinen Rat, will eben nicht mit Vernunft und Maß
behandelt werden.“

in amore haec sunt mala, bellum,
pax rursum: haec siquis tempestatis prope ritu
mobilia et caeca fluitantia sorte laboret
reddere certa sibi, nihilo plus explicet ac si 270
insanire paret certa ratione modoque.‘
In der Liebe sind das die Übel, der Krieg,
und der Frieden wiederum auch: Wenn einer die fast nach Brauch eines Sturms sich bewegenden
und nach blindem Zufall umherfließenden Dinge sich
sicher machen will, entwirrt er sie um nichts besser als wenn er plante,
mit Vernunft und Maß verrückt zu sein.

quid? cum Picenis excerpens semina pomis
gaudes, si cameram percusti forte, penes te es?
quid? cum balba feris annoso verba palato,
aedificante casas qui sanior? adde cruorem 275
stultitiae atque ignem gladio scrutare. modo, inquam.
Was? Wenn du Kerne aus picenishcen Äpfeln pflückend
dich freust, wenn du zufällig die Decke damit triffst, bist du ganz bei dir?
Wie? Wenn du gestammelte Worte mit hochbejahrtem Gauben hervorbringst,
bist du vernünftiger als der, der die Hütten baut? Füge die Mörderei
zur Dummheit und wühlte mit dem Schwert im Feuer. Aber mit Maß, bitte.

Hellade percussa Marius cum praecipitat se,
cerritus fuit? an commotae crimine mentis
absolves hominem et sceleris damnabis eundem
ex more inponens cognata vocabula rebus? 280
Wenn sich der Marius nach der Ermordung der Hellas in den Tod stürzte,
war er da irre? Oder wirst diesen Menschen vom Vorwurf der Geistesgestörtheit
freisprechen, und ihn des Verbrechens beschuldigen,
während du den Dingen – der Sitte gemäß – passende Wörter gibst?

libertinus erat, qui circum compita siccus
lautis mane senex manibus currebat et ‚unum‘,
—’quid tam magnum?‘ addens—, ‚unum me surpite morti!
Es gab einen Freigelassenen, der um die Kreuzwege
lief, mit gewaschenen Händen, im hohen Alter, früh am morgen, und sagte: „Mich als
einzigen entreißt dem Tod – was ist schon so groß daran?

dis etenim facile est‘ orabat, sanus utrisque
auribus atque oculis; mentem, nisi litigiosus, 285
exciperet dominus, cum venderet. hoc quoque volgus
Chrysippus ponit fecunda in gente Meneni.
Für die Götter ist das nämlich leicht zu tun.“ So betete er, gesund sowohl
an Ohren und Augen; den Verstand würde, wenn er sich keine Klage aufhalsen will,
sein Herr ausnehmen, wenn er ihn verkaufte. Auch den Pöbel
setzt Chrysippus zum gebärfreudigen Stamm des Menenius.

‚Iuppiter, ingentis qui das adimisque dolores,‘
mater ait pueri mensis iam quinque cubantis,
‚frigida si puerum quartana reliquerit, illo 290
mane die, quo tu indicis ieiunia, nudus
in Tiberi stabit.‘
„Juppiter, der du ungeheure Schmerzen gibst und nimmst“,
sagt die Mutter eines Jungen, der schon fünf Monate schläft,
„wenn das viertägige Fieber den Jungen verlassen hat, am Morgen dieses
Tages, an dem du das Fasten anzeigst, wird er nackt
im Tiber stehen.“

casus medicusve levarit
aegrum ex praecipiti: mater delira necabit
in gelida fixum ripa febrimque reducet,
quone malo mentem concussa? timore deorum.“ 295
Der Zufall oder ein Arzt könnte den
Kranken aus dem Abgrund holen: Die irre Mutter wird ihn töten,
wenn er ans eisige Ufer geheftet das Fieber wieder bekommt –
von welchem Übel ist sie im Geiste geschlagen? Von Gottesfurcht.“

haec mihi Stertinius, sapientum octavos, amico
arma dedit, posthac ne conpellarer inultus.
dixerit insanum qui me, totidem audiet atque
respicere ignoto discet pendentia tergo.‘
Diese Dinge hat mir Stertinius, der Achte der Weisen, seinem Freund,
als Waffen gegeben, damit ich nicht mehr ungerächt ausgeschimpft würde.
Wer mich verrückt nennen mag, wird ebendieses hören und
wird lernen, hinter sich zu schauen auf das, was ihm von seinem unbekanntem Rücken herabhängt.

‚Stoice, post damnum sic vendas omnia pluris, 300
qua me stultitia, quoniam non est genus unum,
insanire putas? ego nam videor mihi sanus.‘
‚quid, caput abscissum manibus cum portat Agaue
gnati infelicis, sibi tunc furiosa videtur?‘
„Stoiker, nach dem Schaden verkaufst du alles teurer,
durch welche Dummheit glaubst du, weil es ja nicht nur eine Art gibt,
dass ich verrückt bin? Denn ich komme mir doch ganz gesund vor.“
„Was! Wenn Agave den abgerissenen Kopf ihres unglücklichen Sohns
in den Händen trägt, kommt sie sich selbst dann irre vor?“

’stultum me fateor—liceat concedere veris— 305
atque etiam insanum; tantum hoc edissere, quo me
aegrotare putes animi vitio.‘
„Ich geb zu, dass ich dumm bin – man sollte der Wahrheit nachgeben können –
und auch verrückt; aber erkläre mir, an welcher Geisteskrankheit du meinst,
dass ich leide.

‚accipe: primum
aedificas, hoc est longos imitaris, ab imo
ad summum totus moduli bipedalis, et idem
corpore maiorem rides Turbonis in armis 310
spiritum et incessum: qui ridiculus minus illo?
„Hör zu: Zuerst
baust du, ahmst also die Großen nach, vom Zeh
bis zum Scheitel insgesamt zwei Fuß Maß, und ebenso
verlachst du Turbos Waffengeist und Marsch, die größer sind als sein
Körper: Wieso bist du weniger lächerlich als jener?

an, quodcumque facit Maecenas, te quoque verum est,
tanto dissimilem et tanto certare minorem?
absentis ranae pullis vituli pede pressis
unus ubi effugit, matri denarrat, ut ingens 315
belua cognatos eliserit: illa rogare,
quantane? num tantum, sufflans se, magna fuisset?
Oder ist es richtig, dass du, was auch immer Maecenas tut, auch tust,
obwohl du ihm so unähnlich bist und so viel schwächer, wenn du mit ihm um die Wette streitest?
Wenn die Jungen des Frosches, der gerade nicht da ist, vom Fuß eines Kalbs zertreten wurden
und eines entkommen ist, es der Mutter erzählt, dass ein riesiges
Tier seine Verwandten ausgelöscht habe: da fragt sie,
wie groß denn? War es etwa so – sie bläst sich auf – groß?

‚maior dimidio.‘ ’num tanto?‘ cum magis atque
se magis inflaret, ’non, si te ruperis,‘ inquit,
‚par eris.‘ haec a te non multum abludit imago. 320
adde poemata nunc, hoc est, oleum adde camino,
quae siquis sanus fecit, sanus facis et tu.
„Noch um die Hälfte größer!“ „So groß etwa?“ Während sie sich mehr und
mehr aufbläst, sagt das Junge: „Selbst wenn du platzt, wirst du
nicht so groß sein!“ Dieses Bild ist für dich nicht abwegig.
Füg nun die Gedichte hinzu, das ist es, gieße Öl in die Feuerstätte,
und was einer mit klarem Kopf getan hat, das tust auch du klaren Verstandes.

non dico horrendam rabiem—‘ ‚iam desine.‘ ‚—cultum
maiorem censu—‘ ‚teneas, Damasippe, tuis te.‘
‚—mille puellarum, puerorum mille furores—‘ 325
‚o maior tandem parcas, insane, minori.‘
Ich nenne nicht deine schreckliche Wut -“ „Hör schon auf.“ „- dass du über
deine Verhältnisse lebst -“ „Halt dich zurück, Damasippus.“
„- die Leidenschaft nach tausend Mädchen und tausend Jungen -“
„O Stärkerer, schone endlich den Besiegten, du Irrer.“

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.