Epistula 1, 14

Vilice siluarum et mihi me reddentis agelli,
quem tu fastidis habitatum quinque focis et
quinque bonos solitum Variam dimittere patres,
certemus spinas animone ego fortius an tu
5 euellas agro, et melior sit Horatius an res.
Verwalter meiner Wälder und meines kleinen Landguts, das mich mir selbst wiedergibt,
das du verachtest, weil es nur fünf Feuerstellen besitzt und
fünf gute Männer nach Varia zu schicken gewöhnt ist,
lass uns darum streiten, ob ich besser Dornen aus der Seele reißen kann oder
du sie aus dem Acker, und ob Horaz oder sein Besitz besser ist.

Me quamuis Lamiae pietas et cura moratur,
fratrem maerentis, rapto de fratre dolentis
insolabiliter, tamen istuc mens animusque
fert et amat spatiis obstantia rumpere claustra.
10 Rure ego uiuentem, tu dicis in urbe beatum;
cui placet alterius, sua nimirum est odio sors,
stultus uterque locum inmeritum causatur inique;
in culpa est animus, qui se non effugit umquam.
Wenn mich auch die Zuneigung und Sorge um Lamia zurückhalten,
der um seinen Bruder trauert, der untröstliche Schmerzen empfindet über den Verlust
des Bruders, so tragen mich dennoch Geist und Seele dorthin
und lieben es, die um sie stehenden Hindernisse in die Weite zu durchbrechen.
Du sagst, dass ich auf dem Land zum Leben finde, und du in der Stadt glücklich wirst;
wem das eines Anderen gefällt, dem ist sein Schicksal allzu verhasst,
und dumm und ungerecht beklagt jeder von ihnen den unschuldigen Ort;
die Seele ist schuld, die niemals von sich selbst loskommt.

Tu mediastinus tacita prece rura petebas,
15 nunc urbem et ludos et balnea uilicus optas;
me constare mihi scis et discedere tristem,
quandocumque trahunt inuisa negotia Romam.
Als mein Gehilfe wolltest du damals in leisen Bitten aufs Land,
und jetzt, wo du mein Gutsverwalter bist, fehlen dir die Stadt, die Spiele, die Bäder;
du weißt, dass ich gleich bleibe und traurig bin, wenn ich fortgehe,
wenn immer mich die ungeliebten Geschäfte nach Rom ziehen.

Non eadem miramur; eo disconuenit inter
meque et te; nam quae deserta et inhospita tesqua
20 credis, amoena uocat mecum qui sentit, et odit
quae te pulchra putas. Fornix tibi et uncta popina
incutiunt urbis desiderium, uideo, et quod
angulus iste feret piper et tus ocius uua,
nec uicina subest uinum praebere taberna
25 quae possit tibi, nec meretrix tibicina, cuius
ad strepitum salias terrae grauis; et tamen urges
iampridem non tacta ligonibus arua bouemque
disiunctum curas et strictis frondibus exples;
addit opus pigro riuus, si decidit imber,
30 multa mole docendus aprico parcere prato.
Nunc age, quid nostrum concentum diuidat, audi.
Wir bewundern nicht dasselbe; darin sind wir uns nicht
einig; denn was du für verlassene und ungastliche Einöde
hältst, das nennt wunderbar einer, der mit mir fühlt, und der hasst
was du schön findest. Das Bordell und die schmierige Kneipe flößen
dir die Lust auf die Stadt ein, das sehe ich, und dass die
Enge (der Stadt) eher Pfeffer und Weihrauch hervorbringt als Trauben,
aber es gibt keine Taverne in der Nähe, die dir Wein ausschenken kann
und keine dirnenhafte Flötenspielerin, zu deren
Lärm du ungelenk auf dem Boden herumhüpfen kannst; und trotzdem
kannst du schon lange unberührte Gefilde mit der Hacke aufschlagen und das unbespannte
Rind versorgen und mit zähem Gestrüpp vollstopfen;
Auch der Bach gibt dem Faulen Arbeit, wenn Regen fällt,
den man mit vielen Deichen lehren muss, die sonnenbeschienenen Rasen zu schonen.
Nun los, hör, was unsere Eintracht trennt.

Quem tenues decuere togae nitidique capilli,
quem scis immunem Cinarae placuisse rapaci,
quem bibulum liquidi media de luce Falerni,
35 cena breuis iuuat et prope riuum somnus in herba;
nec lusisse pudet, sed non incidere ludum.
Wem die feine Toga gefallen hat und glänzende Haare,
von dem du weißt, dass er der gierigen Cinara auch ohne Geschenke gefiel,
von dem du weißt, dass er auch mitten am Tag den Falernerwein getrunken hat,
den erfreut nun ein kleines Häppchen und ein Schläfchen im Gras nahe am Flussufer;
niemals gespielt zu haben ist beschämend, aber auch, mit dem Spielen nicht aufzuhören.

Non istic obliquo oculo mea commoda quisquam
limat, non odio obscuro morsuque uenenat;
rident uicini glaebas et saxa mouentem.
40 Cum seruis urbana diaria rodere mauis;
horum tu in numerum uoto ruis, inuidet usum
lignorum et pecoris tibi calo argutus et horti.
Optat ephippia bos piger, optat arare caballus;
quam scit uterque, libens, censebo, exerceat artem.
Dort feilt niemand mit schrägem Blick an meinem Wohlergehen,
der ihn mir mit verborgenem Hass und Bitterkeit vergiftet;
die Nachbarn lachen über einen, der Erdschollen und Steine bewegt.
Mit den Sklaven willst du lieber an ihrer Sklavenration in der Stadt knabbern;
wirst in deinem Wunschdenken zu einem von ihnen, aber mein aufmerksamer Stallknecht
beneidet dich um den Umgang mit Holz und Vieh und Garten.
Die Reitdecke wünscht sich das faule Rind, das Pferd wünscht sich zu pflügen;
die Kunst, die einer kennt, sollte er, meine ich, gerne ausführen.

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